Großbanken wollen Krise ohne Staatshilfe stemmen
Frankfurt/Berlin (dpa) - Europas Bankenriesen wollen den beschlossenen Griechenland-Schuldenerlass ohne weitere Staatshilfe stemmen. Allerdings müssen sie bis Mitte 2012 gut 106 Milliarden Euro an frischem Kapital beschaffen.
Immerhin: Die angedrohte zwangsweise Teilverstaatlichung ist erst einmal vom Tisch. Viele Banken verbreiteten am Tag nach dem Gipfel demonstrativ Optimismus. Am Aktienmarkt wurde gefeiert, Bank-Aktien schossen in die Höhe: Die deutschen Großbanken waren am Nachmittag mehr als 12 Prozent im Plus.
Optimistisch zeigte sich die teilverstaatlichte Commerzbank, Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus: „Wir haben nicht vor, öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen“, betont Commerzbank-Finanzvorstand Eric Strutz. Die vom EU-Gipfel geforderte harte Kernkapitalquote von neun Prozent könne sein Haus erreichen - unter anderem durch den Verkauf von Finanz-Anlagen oder von nichtstrategischen Geschäftsfeldern. Auch könnten mögliche Gewinne einbehalten werden.
Die Commerzbank braucht nach Berechnungen der europäischen Bankenaufsicht EBA knapp drei Milliarden Euro an Kapital, um die geforderte Kernkapitalquote von neun Prozent zu erreichen. Die Deutsche Bank hatte bereits am Dienstag bei der Vorlage ihrer Zahlen für das dritte Quartal klar gemacht, dass sie sich gut für die neuen Regeln gerüstet fühlt.
Insgesamt müssen die europäischen Großbanken auf die Hälfte ihrer Forderungen an Athen verzichten und 106,45 Milliarden Euro heranschaffen, um sich auf kommende Stürme vorzubereiten. Die europäische Bankenaufsicht (EBA) hatte die Summe in der Nacht zum Donnerstag bekanntgegeben.
Das meiste frische Kapital brauchen mit 30 Milliarden Euro Banken aus Griechenland sowie mit 26,16 Milliarden Euro Institute aus Spanien, mit 14,77 Milliarden Euro italienische Banken und mit 8,84 der Finanzsektor in Frankreich. Deutsche Banken brauchen frisches Kernkapital von insgesamt 5,18 Milliarden Euro.
Die Banken sollen bis Ende des Jahres mit ihren nationalen Aufsichtsbehörden Kontakt aufnehmen und Vorschläge machen, wie sie die Auflagen erfüllen wollen. Um die Ziele zu erreichen, sollen sie auch Boni und Dividenden zurückhalten.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann lobte die Gipfel-Beschlüsse. „Wir sind sehr zufrieden mit der erreichten Einigung“, sagte er in seiner Funktion als Vorsitzender des Internationalen Bankenverbandes (IIF). „Alle Parteien haben anerkannt, dass nicht nur die Zukunft Griechenlands, sondern auch die Zukunft Europas auf dem Spiel stand.“
Im Fall der französischen Banken hieß es ein wenig vorsichtig, diese brauchten „wahrscheinlich“ kein Staatsgeld. Das sagte der französische Finanzminister Francois Baroin dem Radiosender RTL Radio. Die Geldhäuser könnten die höheren Kapitalanforderungen wohl durch einbehaltene Dividenden und Boni-Kürzungen erfüllen.
An der Pariser Börse verzeichneten Bankentitel am Vormittag zweistellige Zuwachsraten. Besonders gefragt waren Aktien der Großbank Crédit Agricole - bei ihr dürfte gar keine Eigenkapital-Aufstockung notwendig sein. Die drei anderen Großbanken benötigen rund 9 Milliarden Euro: Bei der Société Générale sind es 3,3, bei der BNP 2,1 und bei der Sparkassen-Gruppe BPCE 3,4 Milliarden Euro.
Die beiden spanischen Großbanken BBVA und Santander können nach Einschätzung der Madrider Regierung das geforderte frische Kapital ohne staatliche Hilfe aufbringen. „Ich bin überzeugt, dass die Geldinstitute alles daran setzen werden, ohne Gelder der öffentlichen Hand auszukommen“, sagte Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado im staatlichen Rundfunk.
Spanische Banken müssen sich nach den EU-Beschlüssen insgesamt 26 Milliarden Euro beschaffen. Dies ist etwa ein Viertel der Gesamtsumme von 106 Milliarden Euro, die sich die führenden Banken Europas insgesamt besorgen müssen. Die Institute des Landes sind nach Ansicht der angesehenen Zeitung „El País“ die „großen Verlierer des Euro-Gipfels“: Sie brauchten zusätzliches Geld, obwohl sie von dem geplanten Schuldenerlass Griechenlands kaum betroffen seien.
Die drei als systemrelevant eingeschätzten Institute in Österreich - Erste Group, Raiffeisen Bank International und die Volksbanken AG - brauchen nach ersten Angaben zusammen 2,9 Milliarden Euro, um die geforderte Eigenkapitalquote von 9 Prozent zu erreichen.
Die portugiesischen Banken brauchen rund 7,8 Milliarden Euro. Zwei der vier größten Banken wollen die strengeren Kapitalregeln aus eigener Kraft schaffen. Den größten Kapitalbedarf hat die staatliche CGD, die 2,2 Milliarden Euro benötigt. Sie und die Banco Espirito Santo (BES) erklärten, man werde auf Hilfe des Staates verzichten.
Die größte Privatbank Portugals, die Banco Comercial Português (1,8 Milliarden Euro Kapitalbedarf) sowie die Banco Português de Investimento (1,7 Milliarden), wollen sich dagegen zumindest zum Teil auf das Geld der internationalen Helfer Portugals stützen.