Haft für Zertifikatehändler: Geld verschwunden
Frankfurt/Main (dpa) - Mit teils langjährigen Haftstrafen für die sechs Angeklagten hat das Landgericht Frankfurt einen ersten Prozess um den millionenschweren Umsatzsteuerbetrug beim Handel mit Umwelt-Zertifikaten beendet.
Die Geschäftsleute wurden am Mittwoch zu Haftstrafen zwischen drei Jahren für einen französischen Strohmann und sieben Jahren, zehn Monaten für den mutmaßlichen Haupttäter aus Großbritannien verurteilt. In seinem Urteil äußerte der Vorsitzende Richter Martin Bach deutliche Kritik an der Deutschen Bank, über die der Handel ins europäische Ausland gelaufen war.
Vier der sechs Geschäftsleute im Alter zwischen 27 und 66 Jahren hatten Geständnisse abgelegt, dass sie mit dem Co2-Zertifikatehandel ein sogenanntes Umsatzsteuerkarussell mit etlichen Firmen über mehrere europäische Grenzen hinweg gestartet hatten. Dabei werden die Waren - in diesem Fall Zertifikate - von einer schnell wieder aufgelösten Scheinfirma über eine Kette von Unternehmen weiterverkauft, um sich illegal die Mehrwertsteuererstattungen zu sichern. Die Geschäfte liefen stets über die Deutsche Bank, bei der noch gegen sieben Mitarbeiter ermittelt wird.
Den aufaddierten Steuerschaden bezifferte der Vorsitzende Richter auf 300 Millionen Euro, die angeklagten Männer hätten sich aber nur um rund 2 Millionen Euro bereichert. Der größte Teil des Geldes sei bei Hintermännern gelandet. Diese werden in Großbritannien und Dubai vermutet. „Hier standen nur die Männer von der Front vor Gericht“, meinte ein Justizsprecher.
Der Richter hielt der Deutschen Bank vor, ohne genaue Prüfung der Personen die Täter als Geschäftspartner akzeptiert zu haben. Allen Beteiligten hätte zudem bekannt sein müssen, dass der Zertifikatehandel besonders für Steuerbetrug anfällig sei. Bei einem 27-Jährigen Briten genügte der Bank angeblich nur ein zehnminütiges Gespräch, um mit ihm ins Geschäft zu kommen. Zuvor hätten die Unicredit und die Commerzbank Geschäftsbeziehungen zu dem Mann abgelehnt, so das Gericht. Der 28 Jahre alte Haupttäter hatte zuvor in London in einem Reisebüro gearbeitet und ganz offensichtlich keine Ahnung vom Handel mit diesen Zertifikaten. Die Firma eines 36 Jahre alten Deutschen sei faktisch von der Deutschen Bank gesteuert worden.
Noch unklar ist, wer letztlich den Millionenschaden tragen muss. Die Deutsche Bank hat in ihrem jüngsten Quartalsbericht bereits 310 Millionen Euro als Sonderbelastung ausgewiesen. Dabei handelt es sich um von der Bank zuvor vereinnahmte Vorsteuer, die laut Gericht nur unter Vorbehalt an den Fiskus zurückerstattet wurde. In diesem Zusammenhang könnten noch steuerrechtliche Auseinandersetzungen vor den Finanzgerichten anstehen. Zur Frage der Verantwortlichkeit ihrer Mitarbeiter verweist die Bank auf die interne Untersuchung einer unabhängigen Rechtsanwaltskanzlei, die bisher keine Hinweise auf eine Verstrickung ergeben habe.
Drei der Angeklagten kamen noch am Mittwoch auf freien Fuß, da sie bereits einen großen Teil ihrer noch nicht rechtskräftigen Strafe in der Untersuchungshaft abgesessen haben. Bei den übrigen dreien sahen die Richter hingegen vor allem wegen der internationalen Bezüge eine erhöhte Fluchtgefahr und ordneten die Fortdauer der Haft an. Die Revision gegen das Urteil ist innerhalb einer Woche möglich.
Der Frankfurter Prozess ist nur die Spitze eines Eisbergs, die Ermittler rechnen mit weiteren Anklagen. Unter Federführung der hessischen Generalstaatsanwaltschaft hatten mehr als 1000 Ermittler Ende April 2010 in mehreren europäischen Ländern 230 Objekte durchsucht, darunter die Zentrale der Deutschen Bank. Die Großrazzia war am Vortag der Aktion von einem Unbekannten verraten worden, der nicht ermittelt werden konnte. Der Gesamtsteuerschaden wurde auf rund 850 Millionen Euro beziffert. Demgegenüber haben die Behörden über 100 Millionen Euro aus dem Vermögen der Täter sichergestellt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es mehr als 170 Beschuldigte.