Hilfspaket für EU-Sorgenkind Portugal rollt an

Lissabon/Brüssel (dpa) - Das Milliarden-Rettungspaket für Portugal steht. Auch die Opposition in Lissabon hat ihren Segen gegeben. Aber noch können die Finnen den Portugiesen am 16. Mai einen Strich durch die Rechnung machen.

Das 78 Milliarden Euro schwere Programm sei unter Dach und Fach, teilten Vertreter der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Donnerstag in Lissabon mit. Man sei davon überzeugt, dass das Programm die Grundlagen für eine Stärkung der portugiesischen Wirtschaft legen werde, erklärte der Deutsche Jürgen Kröger von der Europäischen Kommission. Allerdings müssen die EU-Finanzminister Mitte Mai noch zustimmen.

Nach Griechenland und Irland kommt Portugal als drittes Euro-Land an den Finanztropf von EU und IWF. Das Land ist dringend auf Hilfe angewiesen. Mitte Juni wird die nächste große Staatsanleihe des Landes in Höhe von sieben Milliarden Euro fällig. Das Hilfspaket wurde am Donnerstag vom Ministerrat der geschäftsführenden sozialistischen Minderheitsregierung von Ministerpräsident José Sócrates sowie von den beiden größten Oppositionsparteien abgesegnet.

Forderungen aus Deutschland, Portugal solle sich „zunächst selbst helfen“ und zur Sanierung der Finanzen die großen Goldreserven des Landes veräußern, wurden sowohl von der portugiesischen Notenbank in Lissabon als auch von der Europäischen Zentralbank zurückgewiesen.

Mit 382,5 Tonnen, die etwa 11,6 Milliarden Euro wert sind, verfügt das Krisenland Portugal über eine der größten Goldreserven der Welt. Ein Verkauf würde also den größten Teil des Defizits des vergangenen Jahres (14,9 Milliarden) decken. Der Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, und auch FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler sprachen sich in der „Bild“-Zeitung für diese Lösung aus.

Der Schlüssel für eine Sanierung der portugiesischen Wirtschaft sei eine striktere Kontrolle der öffentlichen Unternehmen und der öffentlich-privaten Partnerschaften, sagte IWF-Delegationschef Poul Thomsen. Das Privatisierungsprogramm müsse in Lissabon beschleunigt, die Wettbewerbsfähigkeit des besonders strukturschwachen ärmsten Landes Westeuropas verbessert werden, forderte der Däne.

Thomsen sagte, die Zinsen für die IWF-Hilfskredite würden „zunächst 3,25 Prozent“ betragen. Es handele sich allerdings um „flexible Zinssätze, die Änderungen unterworfen“ seien. Finanzminister Fernando Teixeira Dos Santos sagte, es sei „zu früh, um über Zinsen zu reden“. Auch die EU-Vertreter blockten Fragen zu Thema ab. Kröger sagte nur, die Zinsen für die EU-Hilfskredite würden zwar über den vom IWF geforderten Zinsen liegen. Doch gebe es Bestrebungen, den Abstand zu den Zinsen des IWF zu verringern.

Unterdessen berichtete die portugiesische Agentur Lusa unter Berufung auf eine EU-Quelle, Portugal werde für die EU-Kredite Zinsen von „rund zwei Prozentpunkten über dem Marktsatz“ zahlen. Da der Euriborsatz bei 2,17 liege, würden das heute 4,17 Prozent sein, hieß es. Irland nahm seinerzeit seine Kredite zu 5,9 Prozent auf.

In einer gemeinsamen Erklärung von EU-Währungskommissar Olli Rehn und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wurde ausdrücklich die starke Unterstützung des Programms durch die Regierung und die größten politischen Parteien in Portugal hervorgehoben.

Sowohl die liberale Partei der Sozialdemokratie (PSD) als auch das konservative Demokratische und Soziale Zentrum (CDS) betonten aber, das Hilfsprogramm müsse der künftigen Regierung „Spielraum“ lassen. In Lissabon formiert sich derweil bei Gewerkschaften und der linken Opposition heftiger Widerstand gegen die strengen Auflagen, die Portugal wird erfüllen müssen. Dazu zählen umfangreiche Steuererhöhungen und das Einfrieren von Renten und Gehältern. Auch das Arbeitslosengeld soll gekürzt werden.

Außerdem soll das Privatisierungsprogramms Portugals in den nächsten zwei Jahren in den Bereichen Telekommunikationen, Verkehr, Energie und Versicherungen beschleunigt werden. Der Arbeitsmarkt soll flexibilisiert und die meisten Renten und Gehälter bis 2013 eingefroren werden. Auch soll das Personal der öffentlichen Verwaltung bis 2014 um ein Prozent jährlich reduziert werden.

Die Auflagen wären in einigen Bereichen weniger streng gewesen, wenn Portugal den Hilfsantrag früher gestellt hätte, sagte Kröger. Weitere Sanierungsmaßnahmen würden aber nicht nötig sein, wenn das Programm gut ausgeführt werde.

Portugal verpflichtet sich gegenüber EU und IWF, das Haushaltsdefizit von zuletzt 9,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2013 auf höchstens drei Prozent zu drücken. Mehr als 3 Prozent ist nach den EU-Spielregeln nicht erlaubt. Für das laufende Jahr ist eine Senkung des Defizits auf 5,9, für das nächste Jahr auf 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung vorgesehen. Zwölf Milliarden Euro sollen zur Stärkung des Bankensystems benutzt werden.

Irland nimmt bereits 85 Milliarden Euro Finanzhilfe von EU und IWF in Anspruch, Griechenland hatte schon vor der Bildung des EU- Rettungsfonds EFSF von einem Extra-Paket von 110 Milliarden Euro profitiert - jeweils wurden harte Sparauflagen akzeptiert, um die Staatsfinanzen zu sanieren.

Am 16. Mai müssen die Finanzminister des Eurogebiets noch einstimmig für die Portugal-Hilfen votieren, sonst sind Hilfen aus dem europäischen Rettungsfonds nicht möglich.

Ob Finnland mitzieht, ist noch unsicher. Die nationalistische Partei „Wahre Finnen“ hatte bei der Parlamentswahl in Finnland 19 Prozent der Stimmen erhalten und gesagt, sie könne die Hilfen für Portugal nicht mit „gutem Gewissen“ unterstützen.

Mit 52 Milliarden Euro soll die EU nach bewährtem Muster den Löwenanteil der Hilfe tragen. Zur erwarteten „Zitterpartie“ sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel: „Wir warten, wir sind zuversichtlich, dass Finnland Solidarität demonstrieren wird“.