Indien lässt globales Handelsabkommen platzen
Genf (dpa) - Am Widerstand Indiens ist das erste globale Abkommen über Handelserleichterungen in der fast 20-jährigen Geschichte der Welthandelsorganisation (WTO) bis auf weiteres gescheitert.
Die Frist zur Unterzeichnung eines Protokolls, mit dem entsprechende Vereinbarungen der Welthandelskonferenz auf Bali vom Dezember 2013 besiegelt werden sollte, ließ die Regierung Indiens verstreichen. Mangels Konsens können nun ein Abkommen über Handelserleichterungen (TFA) sowie die weiteren Teile des „Bali-Pakets“ nicht in Kraft treten.
„Wir waren nicht in der Lage, eine Lösung zu finden, mit der wir den Graben hätten überbrücken können“, erklärte WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo bei der entscheidenden Sitzung des WTO-Generalrates in Genf vor den Vertretern der 160 Mitgliedsstaaten. Vergeblich hatten US-Außenminister John Kerry und die US-Handelsministerin Penny Pritzker kurz zuvor bei Gesprächen in Neu Delhi versucht, Indiens neue nationalkonservative Regierung umzustimmen.
Indien und einige wenige Unterstützer - darunter Kuba, Venezuela und Bolivien - waren zwar im WTO-Generalrat isoliert. Jedoch können wichtige Beschlüsse der Organisation nur in Kraft treten, wenn alle WTO-Staaten sie absegnen. Die USA „bedauern, dass eine Handvoll Mitglieder sich entscheiden haben, ihre Zusagen nicht zu erfüllen“, die sie auf Bali gegeben hätten, erklärte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman.
Das „Bali-Paket“ sieht neben Unterstützung für arme Länder vor allem Handelserleichterungen durch den Abbau von Zollformalitäten und anderer Hemmnisse für den Warenaustausch vor. Damit könnten nach Einschätzung der Internationalen Handelskammer (ICC) Wachstumsimpulse im Umfang von bis zu einer Billion Dollar freigesetzt und 21 Millionen neue Arbeitsplätzen geschaffen werden.
Für seine Zustimmung waren Indien beim Bali-Gipfel Ausnahmen gewährt worden, so dass das Land ein umfangreiches Programm zur Subventionierung von Grundnahrungsmitteln für Arme fortsetzen kann, obwohl es gegen WTO-Normen verstößt. Dies sollte für einen Übergangszeitraum bis 2017 möglich bleiben. Bis dahin sollte eine dauerhafte Regelung für Indiens Agrarsubventionen ausgehandelt werden. Diese wollte Indiens neue Führung unter Premierminister Narendra Modi aber schon jetzt durchsetzen, was die Mehrheit der WTO-Staaten ablehnte.
ICC-Generalsekretär John Danilovich appellierte an die WTO, bald einen neuen Anlauf zu versuchen. Modi will jedoch hart bleiben: „Wir haben immer gesagt, dass es beim TFA-Abkommen keine Bewegung gibt ohne Lösung für Indiens Programm zur Nahrungsgütersicherung“, erklärte ein hoher Beamter des Handelsministeriums.
Nalin Kohli, der Sprecher der Regierungspartei BJP, sagte, Indien werde auch eventuellen Sanktionen widerstehen. „Die Regierung muss zuerst die Interessen Indiens berücksichtigen und nicht jene der WTO.“ Indiens Wirtschaft zeigte Verständnis: „Wir befürworteten Handelserleichterungen,... aber hier geht es um die Sorgen und Nöte von 700 Millionen Menschen“, sagte ein Sprecher des Industrieverband CII.
Nach Einschätzung von Diplomaten droht die Organisation erneut in eine Sackgasse zu geraten. Darunter würden weniger die großen Volkswirtschaften leiden, sagte Azevêdo. Sie könnten ihre Handelsbeziehungen auch bi- und multilateral voranbringen. Leidtragende des Scheiterns eines globalen Abkommen seien in erster Linie die kleineren Entwicklungsländer. Azevêdo rief alle Delegationen auf, die Sommerpause für „Reflexionen“ zu nutzen und im September die Suche nach einer Kompromisslösung erneut aufzunehmen.