Inflation frisst Tarifplus: Teuerung in Eurozone rennt
Wiesbaden/Brüssel (dpa) - Hohe Energiepreise heizen europaweit die Teuerung an. In Deutschland hat die Inflation zuletzt das bescheidene Tarifplus der Arbeitnehmer aufgefressen, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat.
Inzwischen kletterte die Jahresteuerung im April auf 2,4 Prozent - dem höchsten Stand seit Oktober 2008. Im Euro-Raum erreichte die Inflation nach Angaben der Europäischen Statistikbehörde Eurostat vom Freitag sogar 2,8 Prozent. Volkswirte rechnen mit weiter steigenden Raten - und erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) spätestens im Juli die Zinsen weiter anheben wird, um den Inflationsdruck zu mindern.
Zwar stiegen in Deutschland die tariflichen Monatsverdienste von Januar 2010 bis Januar 2011 um 0,9 Prozent, wie das Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Der Zuwachs lag aber deutlich unter dem Anstieg der Verbraucherpreise von 2,0 Prozent im selben Zeitraum. Unter dem Strich waren die Tarifverdienste damit weniger wert als ein Jahr zuvor. Die Statistiker begründeten die „vergleichsweise schwache Entwicklung der Tarifverdienste“ mit den Folgen der Wirtschaftskrise, die die Tarifabschlüsse auch 2010 beeinflusst habe.
In den 17 Ländern mit der Euro-Gemeinschaftwährung, deren Wirtschaft zum Teil ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, wird die Inflation zunehmend zum Problem. Die jährliche Teuerungsrate stieg nach einer ersten Schätzung von Eurostat im April im Vormonatsvergleich um 0,1 Punkte auf 2,8 Prozent.
Die Rate sei „entgegen den allgemeinen Erwartungen“ erneut gestiegen, kommentierte die Commerzbank. Dies liefere denjenigen im EZB-Rat zusätzliche Argumente, die auf eine schnellere Normalisierung der Geldpolitik dringen.
Preisstabilität ist nach den Regeln der EZB bei Inflationsraten von „unter, aber nahe bei 2 Prozent“ gewährleistet. Im Kampf gegen die Inflation hatte die Notenbank im April den Leitzins von 1,0 auf 1,25 Prozent angehoben. Mit dem ersten Zinsschritt seit fast genau zwei Jahren beendete die EZB ihre Politik des extrem billigen Geldes - trotz anhaltender Schuldenkrise im Euro-Raum.
Dennoch sehen Fachleute weiterhin immensen Druck an der Preisfront. Die Postbank rechnet gar damit, dass die Teuerungsrate in Deutschland bald höher sein wird als in der Europäischen Währungsunion insgesamt. „Wir werden Opfer unseres eigenen Erfolgs“, erklärte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. „Weil die deutsche Wirtschaft so gut durch die Krise gekommen ist, droht ab 2012 ein zunehmender Preisdruck vom Arbeitsmarkt.“
Ab dem kommenden Jahr könnten die Tarifabschlüsse nach Bargels Einschätzung deutlich stärker steigen. Es sei nicht auszuschließen, „dass in Deutschland im Verlauf des Jahres 2012 die Preissteigerungsrate vorübergehend auch eine Vier vor dem Komma zeigt“.