Insektizidforschung Insekten in der Landwirtschaft: In Monheim forscht Bayer gegen Schädlinge
In Monheim hat Bayer ein neues Gewächshaus für die Insektizidforschung eröffnet. Das Gleichgewicht zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen sei dabei vorrangig.
Monheim. Im gleißenden Licht der LED-Lampen erstrahlen die verglasten Labore in dem neuen Gebäudekomplex auf dem Gelände der Bayer AG in Monheim. Noch sind die Tische kaum mit Pflanzen bestückt, doch spätestens Anfang Februar, wenn alle Genehmigungen vorliegen, soll sich dies ändern: Dann wird das seit 2013 geplante Gewächshaus zur Insektizidforschung in Betrieb genommen, das am Montag mit zahlreichen Gästen aus Wirtschaft und Politik feierlich eröffnet wurde. Auf über 13.000 Quadratmetern, die sich auf drei Etagen über das Gewächshaus und ein angrenzendes Labor- und Bürogebäude erstrecken, soll hier künftig nach höchsten wissenschaftlichen Standards zur Schädlingsbekämpfung geforscht werden.
Insekten nehmen in der Landwirtschaft seit jeher eine ambivalente Rolle ein: Während sogenannte Nützlinge wie etwa Honigbienen ein wichtiger Bestandteil unseres Ökosystems sind und vor allem im Obst- und Gemüseanbau unverzichtbare Bestäubungsarbeit für die Ernte leisten, haben Landwirte zunehmend mit einer Vielzahl von Schädlingen wie Wanzen, Fruchtfliegen oder Blattläusen zu kämpfen, die die Pflanzen befallen und die Erträge zerstören. Viele der unliebsamen Tierchen waren ursprünglich nicht in Deutschland beheimatet, sondern wurden zum Teil vor Jahrhunderten aus Asien oder Afrika eingeschleppt. Allen voran der Rapsglanzkäfer, der Rüsselkäfer und die Blattlaus gehören zu den Insekten, die auf deutschen Feldern den größten wirtschaftlichen Schaden anrichten. In Monheim nehmen Bayers Wissenschaftler insgesamt über 40 Schädlingsarten unter die Lupe.
Bei der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln steht laut Bayer die Wissenschaft vor der Herausforderung, den Spagat zwischen den ökonomischen Interessen der Landwirtschaft auf der einen und dem Umweltschutz auf der anderen Seite zu meistern. Dabei geht es um die Entwicklung „selektiver Insektizide“ — also solcher Pflanzenschutzmittel, die Schädlinge abtöten und Nützlinge möglichst schonen. Eine Aufgabe, der sich der Konzern neben der Entwicklung von Arzneimitteln verschrieben hat — mit einer Investition von 45 Millionen Euro soll das Projekt zum Aushängeschild des Monheimer Bayer-Standortes avancieren und rund 120 Mitarbeitern exzellente Forschungsbedingungen bieten.
Für Dirk Backhaus, Vorstandsmitglied bei Bayer Crop Science, geht es dabei um mehr als nur den Verkauf eines Produkts an die Zielgruppe der Landwirte. „Für uns ist die Eröffnung dieses Gewächshauses etwas Besonderes, weil wir lange dafür gekämpft haben. Das große Ziel dahinter ist, Ernährungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung herstellen zu können und dabei umweltschonend und nachhaltig zu arbeiten.“
Rund 20 Prozent der weltweiten Ernte gehe nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO verloren, berichtet Backhaus. „Das Auftreten von Schadinsekten hat dramatische Folgen wie einen drastischen Preisanstieg landwirtschaftlicher Produkte und dadurch bedingte Hungersnöte.“ Die Zulassung eines neuen Pflanzenschutzmittels sei ein langwieriges Unterfangen und unterliege zunehmend verschärften Anforderungen: „Es bedarf zehn bis zwölf Jahre Forschung, um ein neues Insektizid auf den Markt zu bringen. Dabei besteht immer die Gefahr, dass der Schädling irgendwann eine Resistenz gegen ein bestimmtes Mittel entwickelt.“
Das neue Gewächshaus bietet vielfältige Möglichkeiten, um die Wachstumsbedingungen in der Natur möglichst authentisch abzubilden. In den 133 Laborkammern können Klimabedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit individuell eingestellt werden. So gibt es etwa eine Maschine, die verschiedene Regenarten simuliert, um die Reaktion der Pflanze auf einen Schädling in Verbindung mit Wasser realitätsnah zu testen.
Josef Tumbrinck, Vorsitzender vom Naturschutzbund (Nabu) NRW, begrüßt das Bestreben von Bayer, umweltschonende Präparate für den Pflanzenschutz zu entwickeln und fordert gleichzeitig die Landwirtschaft zum Umdenken auf: „Man kann nicht erwarten, dass auf den zahlreichen monokulturell bewirtschafteten Flächen noch Nützlinge überleben können. Es muss auch mit biologischen Pflanzenschutzmitteln gehen, die biologische Landwirtschaft macht das schließlich vor.“ Zum Schutz der Umwelt müssten die Erzeuger auch geringere Erträge in Kauf nehmen, forder der Naturschützer. Eines sei ihm dabei allerdings klar: „Eine Landwirtschaft, die ganz ohne Pestizide auskommt, bleibt wohl noch lange eine schöne Utopie.“