IWF sieht „Gefährliche Phase“ für Weltwirtschaft

Washington/Berlin (dpa) - Der Internationale Währungsfonds schlägt angesichts von Euro-Schuldenkrise und blutarmer US-Konjunktur Alarm - und will massive Eingriffe.

Die Weltwirtschaft befinde sich in einer „gefährlichen neuen Phase“. Eine neue Rezession in der Eurozone und den USA hält der IWF für denkbar, kommen die Krisen beiderseits des Atlantiks nicht unter Kontrolle. „Nötig sind entschiedene Schritte der Politik“, mahnt IWF-Chefökonom Olivier Blanchard.

Nach starkem Wachstum bekommt auch Deutschland die Konsequenzen der Turbulenzen zu spüren: Im kommenden Jahr sei nur noch mit einem Wachstum von 1,3 Prozent zu rechnen, satte 0,7 Punkte weniger als bisher erwartet, heißt es im jüngsten Weltwirtschaftsausblick des IWF, der am Dienstag in Washington vorgestellt wurde.

Die globale Konjunktur muss ebenfalls Federn lassen: Ein Plus von nur noch 4,0 statt 4,5 Prozent sagt der Fonds voraus. Das Wachstum setze sich zwar for - „aber nur schwach und holprig“.

Diese Einschätzung teilen auch in Deutschland immer mehr Finanzexperten. Sie zeigen sich beim Blick auf die künftige Wirtschaftsentwicklung mittlerweile so pessimistisch wie seit Ende 2008 nicht mehr. Die ZEW-Konjunkturerwartungen sanken im September um 5,7 Punkte auf minus 43,3 Zähler, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim mitteilte. Damit ist dieser wichtige Indikator für die künftige Wirtschaftsentwicklung den siebten Monat in Folge gesunken. Bankvolkswirte sehen zwar keinen Hinweis auf eine Rezession in Deutschland, erwarten aber eine spürbare Abschwächung der Konjunktur spätestens zum Jahreswechsel.

Zwei Risiken bereiten den IWF-Experten besondere Sorge: Dass die Schuldenkrise außer Kontrolle gerät und dass die US-Wirtschaft noch weiter abschmiert. Jedes Szenario hätte „schwere Konsequenzen für das globale Wachstum“. In der Euro-Zone und in den USA könnte die Wirtschaftsleistung drei Prozentpunkte geringer ausfallen als jetzt vorhergesagt - was für beide die Rezession bedeutet.

Der IWF moniert die hohe Verschuldung der Industriestaaten, warnt aber auch vor einer zu schnellen Konsolidierung dort, wo das Wachstum noch schwach ist. In diesem Jahr werde der Schuldenstand der Industrieländer bei 100 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Das heißt, sie haben mehr Schulden angehäuft als sie im Jahr erwirtschaften. Bis 2015 werde die Quote auf 108 Prozent klettern.

Als Rezept rät der Fonds den Politikern in der Eurozone, die Beschlüsse ihres Brüsseler Krisengipfels vom Juli rasch zu verwirklichen. Der Rettungsschirm ESFS müsse sobald wie möglich vollständig umgesetzt werden, wie auch die anderen Maßnahmen, betonte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. Die Politiker in der Eurozone „haben nicht den Luxus, Zeit zu haben“. Die Dinge könnten „jederzeit“ schief gehen. „Unsere ausdrückliche Botschaft ist, dass Europa die Kurve kriegen muss“, betonte Blanchard.

Deutschland stemmt sich trotz der trüben Aussichten weiter gegen Konjunkturspritzen. Forderungen nach kurzfristigen, stimulierenden Maßnahmen gegen den Wirtschaftsabschwung seien wenig hilfreich, hieß es in Regierungskreisen in Berlin. „Man bekämpft eine Schuldenkrise nicht mit mehr Schulden.“ Dies werde Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim Treffen mit den Ressortkollegen und Notenbankchefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) am Donnerstag in Washington nochmals deutlich machen. Vor allem die USA drängen die Europäer zu weiteren Milliardenhilfen gegen eine drohende Rezession.

„Ein entschlossener Kurs der Konsolidierung ist nicht unbedingt mit Wachstumseinbußen verbunden“, wurde in Berlin betont. Solide öffentliche Finanzen seien notwendig, um das Vertrauen von Märkten zurückzuerlangen. Der IWF pflichtet im Kern bei: „Unsere Sicht ist, dass die Haushaltspolitik in Deutschland und Großbritannien nur dann zu Lockerungsmaßnahmen greifen soll, wenn das Wachstum wirklich abflacht und sich erheblich im Vergleich zu unserer Vorhersage verlangsamt. Solange unsere Vorhersage stimmt, gibt es keinen Grund, die Haushaltspolitik zu ändern“, sagte IWF-Ökonom Jörg Decressin.