Siemens hält an Kohleprojekt fest Klima-Aktivistin spricht von „historischer Fehlentscheidung“ und ruft zu Spontandemo auf

Berlin · Siemens hält trotz der vehementen Kritik von Klimaschützern an seiner Beteiligung an einem gigantischen Kohleförderprojekt in Australien fest.

Klima-Aktivistin Luisa Neubauer

Foto: dpa/Clara Margais

Mit bundesweiten Demonstrationen erstmals auch am Montag protestiert die Klimaschutzbewegung Fridays for Future gegen die Entscheidung von Siemens, an seiner Beteiligung an einem gigantischen Kohleförderprojekt in Australien festzuhalten. Fridays for Future rief zu Kundgebungen in rund 15 Städten auf, darunter München, Erlangen, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Köln. Siemens-Chef Joe Kaeser hatte am Sonntagabend mitgeteilt, der Konzern müsse sich in Australien an seine vertraglichen Verpflichtungen halten.

Fridays-for-Future-Sprecherin Luisa Neubauer warf Kaeser eine "historische Fehlentscheidung" vor. Er habe sich gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, gegen die zukünftigen Generationen und "nicht zuletzt gegen die Klimaschutz-Reputation von Siemens" entschieden. Darum werde am Montag vor Siemens-Sitzen in zahlreichen Städten gegen die "desaströse Entscheidung" protestiert. Bereits am Freitag hatte Fridays for Future nach eigenen Angaben in mehr als 30 Städten gegen das Unternehmen demonstriert.

In Düsseldorf beteiligten sich am Montag mehre Dutzend Klimaaktivisten. Ein dpa-Reporter zählte etwa 40 Teilnehmer. Fridays for Future hatte am Montag Proteste in zahlreichen deutschen Städten geplant.

Neubauers Mitstreiter Nick Heubeck erklärte, das Bekenntnis zu dem Auftrag für die Kohlemine "macht die Bestrebungen von Kaeser, den Siemens-Konzern zukunftsgerichtet wirken zu lassen, vollständig zunichte". Angesichts der Klimakrise müssten "gerade auch Konzerne" ihre Versprechen zum Klimaschutz einhalten. Fridays for Future werde "hierzu auch auf der Aktionärsversammlung von Siemens Anfang Februar sprechen".

Kaeser schrieb auf Twitter, sein Unternehmen habe im Fall des australischen Projekts alle Optionen geprüft, müsse sich aber an seine vertraglichen Verpflichtungen halten. Es gebe "keinen gesetzlich und ökonomisch verantwortungsvollen Weg", ohne Pflichtverletzung vom Vertrag zurückzutreten.

"Wäre es mein eigenes Unternehmen, hätte ich womöglich anders gehandelt", erklärte der Siemens-Chef. Er müsse aber auch an Kunden und Investoren denken. Er kündigte die Gründung eines Nachhaltigkeitsrates an, um Umweltschutzfragen in der Zukunft besser zu berücksichtigen.

"Die meisten von Ihnen hätten auf mehr gehofft", erklärte Kaeser mit Blick auf die Kritiker weiter. Der Konzern hätte im Vorfeld "weiser" über das Projekt urteilen sollen. Doch die Mine sei von der australischen Regierung unter der Berücksichtigung von Umweltstandards genehmigt worden und werde in jedem Fall kommen, "ob Siemens die Signalanlage bereitstellt oder nicht".

Der deutsche Großkonzern hatte im Juli 2019 den Auftrag für die Schienensignalanlage der Adani-Mine im australischen Bundesstaat Queensland unterzeichnet. Siemens-Chef Kaeser kündigte Mitte Dezember an, die Beteiligung an dem Projekt auf den Prüfstand zu stellen. Zuvor war er nach eigenen Angaben nicht über den "sehr kleinen" Auftrag mit einem Volumen von 18 Millionen Euro informiert gewesen.

Am Freitag traf sich Kaeser in Berlin mit Neubauer und Heubeck von Fridays for Future. Bei dem Treffen bot er Neubauer überraschend einen Aufsichtsratsposten bei der Unternehmenstochter Siemens Energy an. Sie lehnte das Angebot wenig später ab.

Umweltschützer warnen, die Verbrennung der Kohle aus der australischen Carmichael-Mine in Indien und China werde die Klimaerwärmung verschlimmern. Zudem seien in Australien zahlreiche Tierarten durch die Mine bedroht. Die Mine soll eine der größten Kohleförderstätten der Welt werden und langfristig bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle jährlich produzieren.

Der australische Premierminister Scott Morrison betreibt eine Pro-Kohle-Politik und unterstützt energisch das Carmichael-Projekt. Australien ist der größte Kohle-Exporteur der Welt.

(AFP)