Kommentar Die Doppelmoral bei Siemens
Meinung | Berlin · Siemens bewirbt die eigene Nachhaltigkeit, macht aber dennoch Geschäfte mit der Kohleförderung in Australien. Fridays for Future hat das Unternehmen jetzt kalt erwischt.
Produkte werden mit Begriffen wie „bio“ oder „natürlich“ verkauft, in Unternehmensgrundsätzen wird „Nachhaltigkeit“ versprochen, und für die Werbung wird das Logo grün eingefärbt – die Betonung eines ökologischen Images gehört heutzutage zum Grundwerkzeug des Marketings vieler Industrie- und Handelskonzerne. Oft ist das freilich nur aufgetüncht; dann spricht man von „Greenwashing“. Fridays for Future (FfF) hat Siemens dabei gerade kalt erwischt.
Das Mitleid für den Konzern hält sich in Grenzen. Vor allem, weil Konzernchef Joe Kaeser der FfF-Aktivistin Luisa Neubauer das unmoralische Angebot machte, in den Aufsichtsrat des Weltkonzerns zu ziehen. Die erst 23-jährige Studentin reagierte klug auf diesen Versuch, sie vom Protest wegzukaufen und empfahl fieserweise, lieber einen Klimaforscher in das Gremium zu berufen. Was Siemens natürlich nicht will.
Nun steht das Unternehmen voll am Pranger der heimischen und sogar der Weltöffentlichkeit. Zu Recht. Auf seiner Website verspricht es zum Beispiel, bis 2030 in all seinen Fabriken klimaneutral werden zu wollen – schon jetzt verbrauche man zu 60 Prozent nur Strom aus erneuerbaren Energien. Das mag stimmen, doch in Australien, wo die Natur auch als Folge des Klimawandels gerade in Rauch aufgeht, macht man neue Geschäfte mit der Kohleförderung.
Auf der einen Seite tragen Siemens-Technologien zweifellos zum Klimaschutz bei – etwa durch die Erhöhung der Wirkungsgrade von Kraftwerken oder durch Energiespartechniken. Auf der anderen Seite verdient die Firma aber Geld mit der Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe und will davon nicht lassen. Das Unternehmen ist Teil der Lösung – aber eben auch Teil des Problems. Solange Manager sich und andere darüber hinweglügen, müssen sie damit rechnen, für ihre Doppelmoral öffentlich angeklagt zu werden. Nicht nur Siemens. Und das ist berechtigt.