Haushaltsprobleme Krise der Stromkonzerne trifft Kommunen in Ost und West hart
Viele Kommunen müssen den Gürtel enger schnallen, weil die Krise der Stromkonzerne Gewerbesteuer- und Dividenden-Einnahmen pulverisiert hat. Betroffen sind Städte im Osten wie im Westen.
Essen/Cottbus. Die Krise der deutschen Stromkonzerne trifft nicht nur Mitarbeiter und Anteilseigner - auch die Kommunen an den Standorten müssen längst eingeplante Millionen aus ihren Haushalten streichen. Das Ruhrgebiet ist dabei sogar mehrfach betroffen:
Ruhr-Kommunen leiden nicht nur unter dem Rückgang der Gewerbesteuer vom Essener RWE-Konzern, sie müssen als RWE-Großaktionäre auch noch den Wertverlust und mögliche Dividendenkürzungen ihrer Aktien verdauen. In der Lausitz will Vattenfall im großen Stil vorausgezahlte Gewerbesteuer zurückfordern, weil die Gewinne aus der Braunkohle abgestürzt sind. Ein Schock für Kommunen wie Cottbus.
Viele Kämmerer müssen neu rechnen. Kaum einer weiß schon, wie er die Einnahmeausfälle ausgleichen soll.
Besonders spektakulär wirkt sich das in Essen aus. Die einst reiche Industriestadt musste schon Ende 2013 eine gewaltige Wertberichtigung von 850 Millionen Euro in ihren Büchern vornehmen, weil ihre 18 Millionen RWE-Aktien über die Jahre stark an Wert verloren hatten. Praktisch das gesamte Vermögen der Stadt war danach weg. Jetzt steht zum Jahresende eine weitere Berichtigung von - nach aktuellem Stand
- etwa 170 Millionen Euro an, weil die RWE-Papiere weiter gefallen sind. Essen ist bereits mit aktuell 86 Millionen Euro negativem Eigenkapital überschuldet. Die RWE-Wertverluste reißen sie nun noch tiefer in die roten Zahlen.
Für 2015 rechnet der Essener Kämmerer Lars Martin Klieve außerdem mit einer erheblichen Kürzung der RWE-Dividende, die zuletzt einen Euro betrug. „50 bis 60 Cent sind realistisch“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das brächte rund neun Millionen Euro Einnahmeverluste für die Stadt. Wie sich das etwa auf die Finanzierung des Nahverkehrs in der Stadt auswirken würde, lasse sich noch nicht absehen, sagt er. „Fatale Folgen für den städtischen Haushalt“ befürchtet auch der Kämmerer in Mülheim an der Ruhr, Uwe Bonan, falls die Dividende weiter schrumpft.
Zur Entwicklung der Gewerbesteuer will der Essener Kämmerer wegen des Steuergeheimnisses nicht sagen. Jedenfalls entwickelten sich die Steuereinnahmen logischerweise nicht unabhängig von den Gewinnen des Unternehmens, deutet er an. Und diese Gewinne stürzen seit Jahren steil in den Keller. Wegen steuerlicher Verluste leiste RWE seit 2014 und aktuell keine Gewerbesteuervorauszahlungen mehr, sagt eine Unternehmenssprecherin. Schon deshalb fielen auch keine Rückzahlungsforderungen an.
Anders bei Vattenfall: Der schwedische Energiekonzern leistete Vorauszahlungen in Millionenhöhe - genaue Zahlen gibt es nicht. Städte und Konzern berufen sich auch hier auf das Steuergeheimnis. In Brandenburg und Sachsen betreibt das Unternehmen fünf Tagebaue und vier Kohle-Kraftwerke. Rund 8000 Mitarbeiter sind im zweitgrößten Braunkohlerevier Deutschlands beschäftigt. In der eher strukturschwachen Lausitz ist Vattenfall ein Zugpferd.
Die Kommunen müssen an den Stromkonzern voraussichtlich sämtliche Gewerbesteuervorauszahlungen für 2014 zurücküberweisen. Cottbus trifft das hart. Die zweitgrößte Stadt Brandenburgs mit knapp 100 000 Einwohnern steht ohnehin mit rund 300 Millionen Euro in der Kreide. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass mit der Ankündigung von Vattenfall im Haushalt für 2016 Einnahmen in Millionenhöhe fehlen werden.
Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) sagt: „Begonnene Vorhaben werden fortgeführt, Neues nur angefangen, wenn klar ist, dass wir damit langfristig kostengünstiger arbeiten. Ohne zusätzliche Hilfen vom Land Brandenburg werden wir die fehlenden Einnahmen jedoch nicht kompensieren können.“