Insolvente Fluggesellschaft Kunden und Staat verlieren durch Air-Berlin-Pleite Millionen
Berlin (dpa) - Zahlreiche Passagiere mit verfallenen Flugtickets der insolventen Air Berlin können nicht mehr mit einer Erstattung rechnen. Das wurde bei einer Gläubigerversammlung am Mittwoch in Berlin deutlich.
Ein Sprecher von Insolvenzverwalter Lucas Flöther sagte, das Unternehmen sei nicht einmal in der Lage, einen Kredit komplett zurückzuzahlen, mit dem der Bund die Airline nach dem Insolvenzantrag in der Luft gehalten hatte. Von den 150 Millionen Euro würden voraussichtlich mindestens 75 Millionen Euro zurückgezahlt, sagte der Sprecher. „Das ist eine vorsichtige Prognose.“
In der Kreide steht Air Berlin bei Lieferanten, Dienstleistern, Vermietern, Leasing-Partnern und auch bei der Arbeitsagentur, die nach dem Insolvenzantrag ein Vierteljahr lang Löhne und Gehälter der Beschäftigten gesichert hatte. Sie fordert 46,3 Millionen Euro, die Steuerbehörden 75 Millionen Euro, wie WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ erfahren haben.
Das verwertbare Vermögen der Fluggesellschaft liegt demnach bei 88 Millionen Euro. Air Berlin äußerte sich am Mittwoch nicht zu den Zahlen. Die Verantwortlichen erwägen nach Angaben von Teilnehmern der Gläubigerversammlung noch, ob sie vom Großaktionär Etihad Geld fordern können. Die arabische Fluggesellschaft hatte die chronisch defizitäre Air Berlin jahrelang in der Luft gehalten.
Die ehemalige Lufthansa-Rivale hatte am 15. August Insolvenz angemeldet. Wer vor diesem Tag gebucht hat, geht voraussichtlich leer aus, weil die Forderung aus der Insolvenzmasse bedient wird. Betroffen sind nach früheren Angaben der Airline rund 100 000 Tickets. Forderungen können noch bis 1. Februar angemeldet werden, Flöther rechnet mit einer Gesamthöhe von mehr als einer Milliarde Euro.
Auf der Gläubigerversammlung der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG war nach Teilnehmerangaben von einem aktuellen Stand von 760 Millionen Euro die Rede - zuzüglich des Bundeskredits von 150 Millionen Euro, der als Massedarlehen vorrangig bedient werden muss. Bislang wurden davon rund 61 Millionen Euro zurückgezahlt.
Nach Angaben des zuständigen Berliner Amtsgerichts Charlottenburg kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis alle Ansprüche abgearbeitet sind. Air Berlins Generalbevollmächtigter Frank Kebekus verlässt nun das Unternehmen, weil die Eigenverwaltung beendet wurde, bei der das bisherige Management weiter die Geschicke des Unternehmens lenkte. Flöther, bislang Gläubiger-Sachwalter, ist nun Insolvenzverwalter.
Große Teile der Air Berlin waren an Lufthansa und Easyjet verkauft worden. Die Tochter Niki mit rund 1000 Beschäftigten soll nach Beschluss der Gläubiger in Österreich an den früheren Rennfahrer Niki Lauda zurückgehen. Zuvor war Niki erst der Lufthansa, dann dem britischen IAG-Konzern zugesagt worden.
Lauda warb am Mittwoch um die Belegschaft und für einen Neustart. Auf einer Mitarbeiterversammlung sicherte er den Beschäftigten nach deren Angaben reguläre Anstellungsverträge zu. Eine Leiharbeitskonstruktion wie zu Zeiten, als Lauda schon einmal Chef der Airline war, schloss er aus.
Lauda will mit 15 Maschinen die Airline unter dem Namen Laudamotion ab Ende März auf dem Markt der Ferienflieger etablieren. Niki-Betriebsratschef Stefan Tankovits sagte zur Stimmung unter der Niki-Mannschaft: „Skeptisch trifft es am besten.“
Die juristischen Hürden des Geschäfts scheinen genommen. Der deutsche Insolvenzverwalter hat ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragt, wie das Amtsgericht Charlottenburg bestätigte. Zudem wurde seine Beschwerde beim Bundesgerichtshof zurückgezogen, die die Verlagerung des Hauptinsolvenzverfahrens nach Österreich verhindern sollte. Zwar glaube er sich weiterhin im Recht. „Aber Rechthaberei nutzt keinem“, sagte Flöther.
Lauda hatte in einer zweiten Bieterrunde vom österreichischen Gläubigerausschuss überraschend den Zuschlag für Niki bekommen. Er begibt sich aus Sicht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in ein besonders raues Umfeld. Die Neuordnung nach den Insolvenzen der britischen Monarch und der deutschen Air Berlin könnte der Beginn einer Konsolidierungswelle sein, schreibt PwC in einer Studie. Die Verhandlungen um die Niki-Übernahme zeigten aber, dass die europäischen Kartell- und Regulierungsbehörden genau hinschauten.