Abrechnungs-App statt Sachbearbeiter?

Privatpatienten können Rezepte und Rechnungen digital bequem mit ihrer Versicherung abrechnen. Aber: Verdi fürchtet Stellenabbau.

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Düsseldorf. Und plötzlich geht bei der Abrechnung alles ganz einfach. „Mit der App kann ich den Papierkram schnell und kostenlos erledigen. Und mein Geld habe ich auch schneller auf dem Konto“, sagt Martina Thelen aus Krefeld.

Thelen ist Privatpatientin und gehört damit zu jenen 8,8 Millionen Bundesbürgern, die vollständig privat krankenversichert sind. Im Gegensatz zu Kassenpatienten müssen sie Arztrechnungen und Rezepte selbst bezahlen. Die Unterlagen wandern zur Krankenversicherung, werden dort geprüft und der Betrag dem Kunden erstattet — wenn alles in Ordnung ist.

„Das war früher echt mühsam“, erzählt Olaf Peters aus Düsseldorf. „Immer das Abrechnungsformular ausfüllen, Umschlag besorgen, Porto bezahlen und das Ganze noch zum Briefkasten bringen.“ Peters nutzt seit einem halben Jahr die Abrechnungs-App der Debeka, Marktführer unter den privaten Krankenversicherungen hierzulande. Und er ist sehr zufrieden. Wie Martina Thelen, versichert bei der Barmenia in Wuppertal.

Dort ist Martin Ingignoli für die Abrechnungs-App zuständig. Seit Herbst 2015 wird sie den 1,23 Millionen Versicherten zum Download angeboten. Gut 91 000 Kunden haben das bisher getan. „Eine Erfolgsgeschichte“, berichtet Ingignoli. „Die Nutzung nimmt rasant zu. Monatlich gibt es inzwischen 34 000 Übertragungen. Das sind schon 18 Prozent aller Zusendungen“, sagt Ingignoli.

Thelen und Peters bestätigen, dass die Anwendung einfach ist. Alle Belege werden mit Smartphone oder Tablet fotografiert und verschlüsselt an die Versicherung übertragen. Fertig. „Im Normalfall hat der Kunde dann binnen 48 Stunden sein Geld auf dem Konto“, so Ingignoli. Wer den klassischen Weg wählt, muss dagegen vier bis zehn Arbeitstage warten. Die Leistungsabrechnung, die sonst per Post verschickt wird, landet ebenfalls direkt in der App.

Allerdings: Die Datenspeicherung auf dem Smartphone oder Tablet erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr. Die Versicherer übernehmen keine Haftung, wenn es zu einem Missbrauch durch Dritte kommt. Ingignoli verweist darauf, dass die App für Sicherheit sorgt. Alle fotografierten Belege werden demnach verschlüsselt gespeichert, tauchen also nicht im Fotospeicher des Smartphones auf. Zudem sei die Software so ausgefeilt, dass sie erkennt, wenn Belege doppelt eingereicht werden.

Laut Julian Graf, Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW, ist bislang nichts über Missbrauchsfälle bei den Apps bekanntgeworden. Das bestätigt auch Martina Grundler, Versicherungsexpertin bei der Gewerkschaft Verdi. Aus ihrer Sicht ist nicht die Datensicherheit das Problem der Rechnungs-Apps, sondern der mögliche Abbau von Stellen. „Wir fürchten, dass standardisierte Fälle zunehmend ohne Sachbearbeiter durchlaufen. Nicht der Mensch gibt das Geld frei, sondern eine Maschine.“ Grundler verweist auf Studien, wonach in der Versicherungswirtschaft mehr als ein Drittel aller Stellen durch Digitalisierung wegfallen.

Die Barmenia weist das zurück. „Auf Grund der Rechnungs-App wurden keine Stellen abgebaut“, heißt es. Inoffiziell ist aus dem Unternehmen zu hören, dass die meisten Rezepte und Rechnungen, die mit Hilfe der App eingereicht werden, schon heute automatisiert freigegeben werden. Sachbearbeiter seien dann nur noch in Ausnahmefällen notwendig. Ingignoli stellt es anders dar. Die Freigabe von Auszahlungen ohne Sachbearbeiter sei auch bei den Übertragungen per App die Ausnahme.

Deutschlandweit zählt die Barmenia 3591 Mitarbeiter, davon 1638 in Wuppertal. Noch sind viele davon mit der Prüfung eingereichter Kunden-Belege beschäftigt.

Eine Nachfrage beim Verband der privaten Krankenversicherungen ergibt, dass dort nicht bekannt ist, wie viele der 41 Privatkassen hierzulande Abrechnungs-Apps einsetzen. Vermutlich ist es etwa jede vierte, darunter DKV und HUK.