Milch: Bauern drohen mit neuen Streiks
Die Discounter rudern bei den Preiserhöhungen zurück. Pro Liter werden nur noch sieben Cent mehr gezahlt.
Kempten. Mit seinem Nachbarn spricht Robert Epple seit dem Milch-Lieferboykott nur noch das Nötigste. "Die Stimmung ist nicht gut", sagt der Milchbauer aus dem kleinen Ort Günzach im Ostallgäu.
Wie der Großteil der rund 10 000 Milcherzeuger im Allgäu hat sich auch Epple an dem zehntägigen Lieferstopp beteiligt und damit auf Einkommen verzichtet. Der Nachbarhof sei weiter von den Tankwagen der Molkereien angefahren worden. "Wir sitzen alle in einem Boot. Wenn sich Berufskollegen bei einer solchen Aktion nicht solidarisch zeigen, finde ich das total daneben."
Seit einigen Tagen werden auch von Epples Hof wieder täglich etwa 800 Liter Milch abgeholt. Doch der Allgäuer hat wenig Hoffnung, dass er dafür mehr Geld bekommt. "Was wir wollen, haben wir noch nicht erreicht. Ein neuer Lieferboykott ist deshalb schon im Gespräch."
Zehn Tage lang hatten die Milchbauern bundesweit mit Milchboykott-Aktionen darum gekämpft, einen höheren Milchpreis auf breiter Front durchzusetzen. Nach dem Vorpreschen des Discounters Lidl sah es zunächst danach aus. Auch andere Handelsketten hatten eingelenkt und höhere Preise für Milch und Butter angekündigt.
Doch mittlerweile sind die Zusagen deutlich zusammengeschmolzen: Für Milch wollen mehrere große Ketten nun nur noch 7 Cent je Liter mehr zahlen und die Preiserhöhungen für Butter sind teils schon wieder zurückgenommen worden.
Viele Bauern reagieren darauf enttäuscht, sagt Willi Karg aus Betzigau im Oberallgäu, der während des Boykotts etwa 8000 Liter Milch zurückgehalten hat.
Um ihre Ziele zu erreichen, seien viele Milcherzeuger bereit, noch einmal ihre Lieferungen einzustellen und auf die Straße zu gehen. "Ich denke, in den nächsten vier Wochen wird das noch nicht geschehen. Sollte aber mit der Auszahlung des nächsten Milchgeldes eine Preissteigerung ausbleiben, werden wir weiterkämpfen."
Karg ist zuversichtlich, dass es dazu nicht kommen wird. Wenige Tage nach den Protesten könne man schließlich nicht zu viel erwarten. "Der Streik hat uns weh getan. Aber jetzt fängt die Arbeit erst an. Jetzt müssen zum Milchpreis und Milchkontingent Verhandlungen geführt werden."
Als Vertreter des Bayerischen Bauernverbands sieht Karg auch Erfolge des Protestes. "Wir Bauern haben gezeigt, dass wir bereit sind, andere Wege zu gehen. Hier wächst eine neue Generation der Milchbauern heran." Von den Verbrauchern sei dies positiv aufgenommen worden. Schon aus Sympathiegründen seien viele bereit, mehr Geld für Milchprodukte auszugeben.
Auch Thorsten Sehm, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), sieht positive Auswirkungen. "Wir haben erreicht, dass Politiker mit uns verhandeln und die Molkereien den Bauern auf Augenhöhe begegnen." Zufrieden ist der BDM mit dem Erreichten aber nicht. "Die Freude über die Preiserhöhung war von kurzer Dauer. Jetzt rudern viele wieder zurück."
Sollte sich an den niedrigen Milchpreisen bis zum Juli-Milchgeld nichts ändern, schließt auch der BDM erneute Proteste nicht aus. "Dann wird es schwierig, die Landwirte ruhig zu halten."