Bauern: Die Milch fließt wieder
Der Lieferboykott hatte Erfolg. Der Handel verhandelt über höhere Preise. Die Landwirte bleiben dennoch skeptisch.
Berlin. Die Milchbauern haben am Freitag die Belieferung der Molkereien wieder aufgenommen, bleiben aber kämpferisch. Die Verarbeiter gingen davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen wieder vollständig normalisiert. Zum Teil sollten am Wochenende Sonderschichten gefahren werden, um Rückstände aufzuholen.
Die Landwirte sehen den Konflikt auch nach der Ankündigung der großen Handelsketten, über höhere Milchpreise verhandeln zu wollen, noch nicht gelöst. "Wir sind mit unseren Aktionen weitergekommen. Der Boykott ist aber noch nicht endgültig zu Ende, sondern nur ausgesetzt", sagte Baden-Württembergs Landesvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Georg Wallner. Es müsse erst abgewartet werden, ob die Handelsketten tatsächlich dauerhaft die Milchpreise erhöhten.
Insgesamt zeigten sich die Milchbauern nur verhalten optimistisch. "Wir haben gestern nicht gefeiert und müssen erst abwarten, ob wir unseren Kampf nicht doch noch fortzuführen haben", sagte Niedersachsens BDM-Landesvorsitzender Christian Niemann Freitag. Die Verhandlungsbereitschaft der großen Handelsketten sei nur ein Etappensieg.
"Ich will erst die nächsten Tage abwarten und den Verhandlungen nicht vorgreifen." Der geforderte Abnahmepreis von 43 Cent pro Liter sei zudem nicht das einzige Ziel. Das gesamte Preis- und Liefersystem gehöre reformiert.
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner forderte eine Änderung des Kartellrechts. Ein paar große Lebensmitteleinzelhändler seien in der Lage, die Molkereien an die Wand zu drücken, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes am Freitag dem Sender NDR Info.
Zugleich müssten die Bauern sich in der Angebotsstruktur anders aufstellen, um nicht immer so ausgespielt zu werden. Die Zusagen des Handels seien kein Grund für Euphorie, aber ein entscheidender Schritt. "Wir müssen sehen, dass am Weltmarkt die Milchpreise anziehen. Es geht langsam aufwärts."
Am Donnerstag hatte der BDM empfohlen, den Milchlieferstopp nach zehn Tagen auszusetzen. Die Freude der Bauern über das Einlenken des Handels ist aber womöglich verfrüht. "Ich bin überzeugt, dass die Aktion von Lidl den Preis für die Landwirte nur minimal verbessert", sagte Nordmilch-Vertriebsvorstand Martin Mischel der "Süddeutschen Zeitung". "Sie werden dadurch vielleicht 0,3 Cent pro Liter mehr erhalten."
Lidl wolle nur die Preise für Butter und Milch erhöhen. Die Produktpalette im Milchregal sei aber erheblich breiter. "Der Hauptteil der von den Bauern gelieferten Milch wird für die Herstellung von Käse, Milchpulver, Quark oder Joghurt verwendet", sagte Mischel.
Auch der Geschäftsführer des Edelweiß-Milchwerks in Kempten, Ulrich Kraut, betonte, bislang habe der Handel nur die Bereitschaft gezeigt, für Trinkmilch und Butter mehr zu bezahlen. "Jetzt müssen auch die Molkereien, die ein anderes Sortiment haben, in Verhandlungen treten." Kraut ist zuversichtlich, dass es langfristig zu einer Lösung kommen wird, die für alle Seiten akzeptabel ist. "Das geht nun mal nicht von heute auf morgen. Aber ein Anfang ist geschafft."
Der Discounter Lidl hatte mit der Ankündigung einer Preiserhöhung von zehn Cent pro Liter Milch und 20 Cent für 250 Gramm Butter den Anfang gemacht, andere große Ketten wie Rewe, Metro und Edeka und Aldi Nord sind verhandlungsbereit. Aldi Süd kündigte an, sich "an den aktuell im Markt diskutierten Erzeugerpreisen" orientieren zu wollen. Auch Tengelmann und der Discounter Plus zeigten sich bereit zu Gesprächen.