Milliarden-Aufbaukosten: Zweifel an Japans Bonität
Tokio (dpa) - Der Milliardenaufwand für den Wiederaufbau in Japan schürt Zweifel an der Bonität des katastrophengeschüttelten Landes. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) senkte ihren langfristigen Ausblick und stellte damit eine weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit Japans in Aussicht.
Berechnungen von S&P zufolge kommen auf Japan nach dem verheerenden Erdbeben, dem Tsunami und der Atomkatastrophe gewaltige Wiederaufbaukosten von bis zu 50 Billionen Yen (über 400 Milliarden Euro) zu. Zuletzt hatte S&P mit einem Warnschuss zur Kreditwürdigkeit der USA Schockwellen an den Märkten ausgelöst.
S&P warnte nun Japan. Falls das Land seinen Haushalt beispielsweise durch Steuererhöhungen nicht in den Griff bekomme und sich die Lage der öffentlichen Finanzen in den kommenden zwei Jahren weiter eintrübe, sei eine Herabstufung der Bonität möglich, teilte S&P am Mittwoch mit. Die Agentur senkte den Ausblick für die langfristige Beurteilung von „stabil“ auf „negativ“.
Vergangene Woche hatte S&P bereits die langfristige Kreditwürdigkeit der USA infrage gestellt, wobei die Bestnote für die weltgrößte Volkswirtschaft mit aktuell „AAA“ jedoch weiter besteht. Im Vergleich zu Japan gibt es aber grundlegende Unterschiede in der Schuldensituation. Die USA werden kritisiert, ihr Wachstum zu lange auf Pump finanziert und dabei gigantische Schulden aufgetürmt zu haben und zudem zu wenig zu exportieren - ganz im Gegensatz zur exportstarken Nation Japan.
Japan hat zwar eine hohe Staatsverschuldung, die sogar mit rund 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts so hoch ist wie in keinem anderen Industrieland. Allerdings stemmt die Wirtschaftsmacht ihre Schulden fast vollständig im eigenen Land. Auch verfüge Japan über Devisen- und Goldreserven von mehr als einer Billion Dollar (mehr als 680 Mrd Euro) und werde damit nur von China übertroffen. Zuletzt hatte S&P das Rating für das Land Anfang 2011 um eine Note gesenkt wegen der Befürchtung, es werde von der Regierung zu wenig und zu langsam gegengesteuert.
Die aktuelle Einschätzung begründete S&P in erster Linie mit den hohen Kosten wegen der schweren Natur- und Atomkatastrophe. „Wir gehen aktuell davon aus, das die Wiederaufbaukosten zwischen 20 Billionen Yen und 50 Billionen Yen (166 Mrd Euro bis 415 Mrd Euro) liegen könnten“, heißt es in der S&P-Mitteilung. Im Mittel würden 30 Billionen Yen (fast 250 Mrd Euro) veranschlagt.
Sollte Japan seine Staatseinnahmen nicht steigern und den Haushalt somit konsolidieren, dürften die Kosten zu einem weiteren Anstieg der ohnehin hohen öffentlichen Defizite führen, urteilte S&P. Dann werde das Defizit bis Ende 2014 über der Marke von acht Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Gleichwohl werde die Katastrophe die mittelfristigen Wachstumsperspektiven Japans nicht schmälern, wobei es Japan allerdings schon schwer genug fallen dürfte, ein Plus von einem Prozent Wachstum zu erreichen.
Gestützt werde die Bonität Japans derzeit von der hohen Vermögensposition im Ausland, dem robusten Finanzsystem und der wettbewerbsfähigen Wirtschaft des Landes, erklärte die Ratingagentur. Der Yen reagierte auf die Ratingaktion zwar mit Kursverlusten, diese hielten sich aber in Grenzen. An den Aktienmärkten fand der Warnschuss kaum Beachtung.
Zuvor hatte S&P den langfristigen Ausblick für die Bonität der USA ebenfalls von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt. Damit droht in den kommenden zwei Jahren eine Herabstufung - laut Mitteilung mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 Prozent. Grund für die Beurteilung seien die im Vergleich zu anderen mit „AAA“ bewerteten Ländern „sehr hohen“ Haushaltsdefizite“. Außerdem sei unklar, wie die steigende US-Staatsverschuldung abgebaut werden solle. US-Finanzminister Timothy Geithner hatte Zweifel an der Kreditwürdigkeit seines Landes zurückgewiesen. Auch US-Präsident Barack Obama zeigte sich zuversichtlich.