Nach EZB-Zinsentscheid: Bankkunden dürfen nicht belastet werden
Berlin/Frankfurt (dpa) - Nach der historischen Zinsentscheidung von Europas Währungshütern wächst die Sorge vor weiteren negativen Folgen zulasten der Bankkunden.
Während Verbraucherschützer die Banken in der Pflicht sehen, die Kunden nicht zusätzlich zu belasten, erneuerten die Grünen ihre Forderung nach gesetzlichen Obergrenzen für Dispozinsen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann verteidigte unterdessen die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der „Bild“-Zeitung (Samstag) sagte Weidmann: „Wenn die Inflationsrate zu lange zu niedrig bleibt, kann eine Entwicklung drohen, welche die Wirtschaft lähmt und uns allen schadet. Deshalb haben wir gehandelt.“ Allerdings sei um den einstimmigen Beschluss im EZB-Rat, dessen Mitglied Weidmanns ist, hart gerungen worden: „Es war sicher keine leichte Entscheidung.“ Die Währungshüter hätten getan, was sie für eine Belebung tun können, sagte Weidmann und mahnte weitere Reformen in den Eurostaaten an.
Die EZB hatte am Donnerstag ihren Krisenkurs verschärft und den Leitzins am Donnerstag auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt. Außerdem müssen Banken erstmals Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken, statt Kredite zu vergeben. Zugleich wollen die Währungshüter mit neuen Milliardenspritzen für das Bankensystem die Kreditvergabe vor allem in den südlichen Euroländern ankurbeln. Trotz des einstimmig beschlossenen, historischen Maßnahmenpakets hatte EZB-Präsident Mario Draghi betont: „Wir sind hiermit nicht am Ende, solange wir uns im Rahmen unseres Mandates bewegen.“ Draghi ist am kommenden Mittwoch in Berlin, vorgesehen ist auch ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Nach der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) dringen die Grünen auf gesetzliche Obergrenzen, um Dispozinsen für die Kunden zu reduzieren. Hilflose Appelle an die Banken, diese zu senken, reichten nicht aus, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch, der Nachrichtenagentur dpa. Statt einer Deckelung stehe im Koalitionsvertrag von Union und SPD nur noch die Einführung von Warnhinweisen beim Übertritt in den Dispo. „Das ist ein Placebo und wird den Verbrauchern nur begrenzt helfen“, kritisierte Maisch.
Verbraucher-Staatssekretär Gerd Billen hatte die Kreditwirtschaft am Donnerstag aufgefordert, die Dispozinsen fürs Konto-Überziehen zu senken. Die Herabsetzung des Leitzinses auf das Rekordtief von 0,15 Prozent zeige, dass die Institute sich noch lange Zeit sehr billig Geld leihen könnten. „Wenn Banken gleichzeitig für die Inanspruchnahme von Dispo-Krediten völlig überzogene Zinsen nehmen, ist das aus Sicht der Verbraucher unverständlich.“ Verbraucherschützer kritisieren, dass teils Dispozinsen von mehr als 10 Prozent fällig werden.
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzvb) hatte die Branche aufgefordert, die Kunden nicht zusätzlich zu belasten. „Dass die Übertragung geldpolitischer Impulse nicht funktioniert, darf nicht zu Lasten der Verbraucher gehen“, forderte Verbandschef Klaus Müller.
Sparer und Bankkunden dürften die EZB-Beschlüsse nach Experteneinschätzung nicht unbedingt unmittelbar zu spüren bekommen. „Bei Tagesgeldkonten zum Beispiel liegen die Zinsen derzeit im Durchschnitt bei 0,67 Prozent“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main. Dieses Niveau werde sich voraussichtlich in etwa halten. „Allerdings werden die Zinssätze bei den guten Angeboten vermutlich sinken.“
Die Kosten für die Strafzinsen holen sich Geldinstitute nach Ansicht von Herbst aber unter Umständen bei ihren Kunden wieder rein. „Das wird aber vermutlich nicht unbedingt sichtbar sein“, erklärte der Zinsexperte. Spielraum gebe es unter anderem bei den bonitätsabhängigen Krediten. „Auch die Dispozinsen werden nicht unbedingt nachgeben“, vermutet Herbst. Die Einführung zusätzlicher Gebühren nach der EZB-Entscheidung, zum Beispiel für Girokonten, erwartet Herbst aber nicht. „Dazu ist dieser Markt zu empfindlich.“
Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon versicherte erneut, dass die beschlossenen Strafzinsen für Banken nicht an Sparkassenkunden weitergeben würden. „Das ist für Sparer auch nicht vermittelbar“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag). Tatsache sei aber, dass die dauerhaft niedrigen Zinsen zunehmend das Geschäft der realwirtschaftlich orientierten und stabilen Kreditinstitute belasteten. „Die Gefahren, die daraus entstehen, muss die Zentralbank künftig stärker berücksichtigen“, forderte er.