Naturstrom AG: "Politik macht Strom teurer"
Naturstrom wirft der Regierung vor, die Öko-Umlage für Privatkunden nach oben zu treiben. Das Düsseldorfer Unternehmen ist 2011 massiv gewachsen.
Herr Banning, Herr Hummel, Ihr Unternehmen Naturstrom hat seine Kundenzahl in diesem Jahr mehr als verdoppelt — von 100 000 auf über 200 000. Bei aller verständlichen Freude: Verkraftet ein Unternehmen ein solch schnelles Wachstum?
Hummel: Ja, denn darin haben wir mittlerweile eine gewisse Übung. Schließlich verdoppeln wir jetzt im fünften Jahr in Folge unsere Kundenzahl. Natürlich müssen dafür die Strukturen angepasst und neue Mitarbeiter gefunden werden. Wir haben deshalb mit unserer Kundenzahl auch unsere Belegschaft vergrößert. Das Wachstum ist eine Herausforderung, aber wir bekommen das gut hin.
Wo holen Sie eigentlich für 100 000 neue Kunden binnen neun Monaten den zusätzlichen Ökostrom her?
Hummel: Wenn man europaweit schaut, gibt es an Ökostrom bisher keinen Mangel. Allerdings haben wir einen besonderen Anspruch: 60 Prozent unseres Stroms kommt aus kleineren, dezentralen Anlagen. Das ist dann schon schwerer. Allerdings profitieren wir von unserem Netzwerk im Bereich der Erzeugungsanlagen. Wir haben Verträge mit ungefähr 200 Erzeugern im Wind- und Wasserkraftbereich, hauptsächlich in Deutschland.
Fürchten Sie nun, nachdem sich die Aufregung um Fukushima weitgehend gelegt hat, ein Ende des Wachstums?
Hummel: Nein, bisher ist der Anteil der Ökostrom-Kunden auf dem deutschen Markt ja noch sehr gering, er liegt bei etwas mehr als fünf Prozent. Insofern gibt es also noch ein großes Wachstumspotenzial. Das zeigt auch unsere Entwicklung in den vergangenen Monaten. Wir gewinnen relativ konstant 1000 Kunden pro Woche hinzu.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland hat zuletzt auch zu einer massiven Verteuerung der Ökostrom-Umlage geführt — und das Ende dieser Entwicklung ist offenbar noch nicht erreicht. Wachsen uns die Kosten des Ökostroms über den Kopf?
Hummel: Nein, die Steigerung von 2011 zu 2012 wird sehr gering ausfallen, statt 3,53 wird die Umlage 3,59 Cent pro Kilowattstunde betragen. Auch werden bei der Betrachtung meist positive Effekte wie milliardenschwere Verringerung der Energieimporte oder die Wertschöpfung vor Ort vergessen. Nicht zuletzt senken erneuerbare Energien den Großhandels-Strompreis.
Warum?
Hummel: Weil beispielsweise Sonnenstrom besonders zu nachfragestarken Zeiten produziert wird. Die Umlage könnte zudem erheblich niedriger ausfallen, wenn die Bundesregierung nicht die Industrie massiv entlasten würde. Bereits 2011 machen diese Sonderregelungen für die Industrie fast einen Cent pro Kilowattstunde aus. Ab 2013 werden diese Schlupflöcher sogar noch deutlich ausgeweitet — zulasten der Haushalte und kleinen Gewerbe. Sehr wichtig wäre also, die Kosten der erneuerbaren Energien fair auf alle Marktteilnehmer zu verteilen.
Zählt das Argument nicht, dass energieintensive Unternehmen Deutschland dann verlassen könnten?
Banning: Nein, das Argument akzeptiere ich nicht.
Wieso nicht?
Banning: Weil der Preis ein Steuerungsinstrument ist. Steigt der Preis, werde ich gezwungen, die Kosten durch Einsparungen im Energieverbrauch zu reduzieren. Wenn ich aber Energie spottbillig anbiete, dann kommt es eben dazu, dass Energie nicht gespart wird. Und da liegt der Knackpunkt: Bevor wir über erneuerbare Energien als Alternative zu Kohle- und Atomstrom nachdenken, müssen wir zuerst einmal die Frage stellen: Müssen wir Energie nicht endlich effizienter nutzen?
Tatsache ist aber: Die Menschen spüren, dass die Energiewende teuer wird.
Banning: Mein Verdacht ist, dass genau dieser Eindruck von bestimmten politischen Kreisen auch vermittelt werden soll. Fakt ist doch: Die Kosten der erneuerbaren Energien werden in der Stromrechnung ausgewiesen. Die massiven Subventionen des Staates in konventionelle Kraftwerke werden den Menschen hingegen nicht vor Augen geführt — von den externen Kosten mal ganz zu schweigen.
Herr Banning, ich möchte Sie mit drei Aussagen konfrontieren. Erstens: Der Ausbau der Windkraft verschandelt unsere Landschaft.
Banning: Ich komme aus dem Ruhrgebiet, ich kenne den Blick auf Schornsteine von Großkraftwerken und das, was da oben rauskommt. Und ich muss sagen: Ich finde, Windkraftanlagen verschandeln überhaupt nicht die Landschaft. Aber natürlich kommt es auch auf den Standort an.
Zweitens: Solarenergie ist in Deutschland ineffizient und ihr Ausbau wird auch in Zukunft gewaltige Summen verschlingen.
Banning: Das stimmt nicht. Erstens wird ja zum Jahreswechsel schon wieder die Förderung gekürzt, zweitens gehen selbst die eher kritischen Netzbetreiber in ihrer Prognose von massiven Kostensenkungen über die nächsten Jahre aus. In zwei Jahren wird der Ausbau der Photovoltaik keine Extrakosten mehr verursachen. Nur die Kosten des Bestands können wir nicht beeinflussen, denn die Vergütung des Stroms ist für 20 Jahre festgelegt. Zudem ist die Photovoltaik beispielsweise in Bayern auch nicht ineffizient. Acht Prozent des gesamten Stromverbrauchs dort wird mit Solarenergie gedeckt.
Drittens: Bioenergie vernichtet Nahrungsmittel und treibt Preise für Lebensmittel weltweit in die Höhe.
Banning: Auch diese pauschale Aussage kann ich nur zurückweisen. Negative Folgen hat Bioenergie nur, wenn wir unseren Bedarf in Entwicklungsländern decken und dort nicht auf die Produktionsbedingungen schauen. Dann wird zum Beispiel auf großen Flächen Palmöl produziert. In Deutschland sieht das anders aus. Von dem Mais, der hier angebaut wird, landeten 2010 nur 30 Prozent in Biogasanlagen. Der Anstieg beim Maisanbau ist vor allem für die Tierhaltung da, also dafür, dass wir noch mehr Fleisch essen können. Das heißt: Die Bioenergie steht nicht in Konkurrenz zu Feld-Nahrungsmitteln für Menschen, sondern in Konkurrenz zu Futtermitteln für noch mehr Fleischkonsum. Zudem kommen immer mehr Biogasanlagen allein mit landwirtschaftlichen Resten oder Grünschnitt aus. Mit unseren eigenen Anlagen treiben wir genau diese Entwicklung voran.
Die Energiewende wird nicht ohne einen massiven Ausbau bei Netzen und Speicherkapazitäten funktionieren. Sind wir da auf einem guten Weg?
Banning: Was die Entwicklung der Technologie betrifft, ja. Aber beim notwendigen Netzausbau bewegt sich viel zu wenig — einfach, weil die Politik und die Energiekonzerne es bisher versäumt haben, mit der betroffenen Bevölkerung endlich vernünftig zu reden und Kompromisse zu suchen. Zudem werden die Menschen mit Fantasiezahlen erschreckt, da ist dann von 5000 Kilometern zusätzlicher Stromtrassen die Rede. Ich denke, 1000 bis 1500 Kilometer überirdische Stromtrassen würden reichen. Was wir wegen der künftig dezentralen Stromproduktion mit kleinen Kraftwerken aber brauchen, ist vor allem Zubau im Mittelspannungsbereich. Diese Leitungen werden aber unterirdisch verlegt.
Gerade nach der Klimakonferenz in Durban drängt sich eine Frage auf: Sind all’ unsere Klimaschutzbemühungen am Ende vergebens, weil die größten Klimasünder nicht mitziehen?
Hummel: Natürlich wird dem Klimawandel weltweit bisher viel zu wenig entgegengesetzt. Dennoch ist es richtig, Vorreiter beim Klimaschutz zu sein. Wir profitieren ja jetzt schon von unseren Bemühungen, die Branche der Erneuerbaren Energien schafft sehr viele Jobs, 300 000 sind es heute schon. Die Innovationen, die hier entstehen, werden weltweit zunehmend nachgefragt werden. Das heißt, nicht nur das Klima profitiert, sondern auch unsere Wirtschaft. Teuer wird es für diejenigen sein, die jetzt noch nicht handeln. Sie sind auch künftig in großem Maße von Ölimporten abhängig — und damit von der rasanten Preisentwicklung dort.