Ökonom Gustav Horn: „Berlin muss die Steuern erhöhen“
Ökonom Gustav Horn hält Staatspleite für unwahrscheinlich.
Brüssel. Mit den europäischen Notkrediten für Griechenland, Irland und Portugal steigen die Risiken für Deutschland. „Falls eines der drei Länder zahlungsunfähig würde, könnte es zumindest einen Teil der Kredite nicht mehr zurückzahlen“, sagt der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. „Aber dieses Risiko einer Staatspleite halte ich für extrem unwahrscheinlich.“
Herr Horn, entstehen uns indirekte Kosten infolge der Rettungsaktionen?
Horn: Ja. Diese indirekten Kosten fallen jedoch nicht im staatlichen Bereich an, sondern im privaten Sektor. Denn die Staatsanleihen der drei Euro-Krisenländer haben teils deutlich an Wert verloren. Anleger, die diese Schuldtitel mit Kursabschlägen verkauften, haben einen Verlust gemacht. Das trifft institutionelle Anleger wie Versicherungen und Banken, die das Geld ihrer Kunden — also auch der Bürger — mehren wollen. Aber auch manch privater Anleger hat in Staatsanleihen investiert.
Kann Deutschland also so weitermachen wie bisher?
Horn: Nein. Auch der deutsche Staat wird mittelfristig wohl weniger neue Schulden aufnehmen und sparen. Um Schulden zu senken, sollte der Staat aus meiner Sicht vor allem Steuern erhöhen. In Deutschland ist die Steuerquote für Privatleute und für Unternehmen im historischen Vergleich niedrig. Zudem wird die Kluft zwischen Arm und Reich größer. Das birgt auch gesellschaftlichen Sprengstoff.
Daher müssten die Wohlhabenden stärker besteuert werden, nicht diejenigen Bürger mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Der Staat sollte auch die abgesetzte Vermögenssteuer wieder einführen. Zudem sollte er die niedrige Erbschaftssteuer erhöhen.
Was haben Sie gegen Ausgabensenkungen?
Horn: Sie hätten negativere Folgen als Steuererhöhungen. Schon derzeit kann der deutsche Staat nicht all seine Aufgaben gut erfüllen. Er investiert zum Beispiel zu wenig in den Erhalt und den Ausbau von Straßen und dem Schienennetz. Daher sind Steuererhöhungen die erste Wahl.