Pleitewelle - Länder wollen Solarkürzung stoppen
Berlin (dpa) - Angesichts der Pleite- und Entlassungswelle in der deutschen Solarbranche wollen mehrere Bundesländer die seit April geltende Förderkürzung rückwirkend abmildern. Kritik an den Einschnitten von bis zu 30 Prozent kommt parteiübergreifend vor allem aus Ostdeutschland.
Laut einer Branchen-Umfrage sind die Investitionen der Ökoenergiebranche insgesamt wegen unklarer Aussichten 2011 um eine Milliarde Euro zurückgegangen.
Trotz der Korrekturen, die die Bundesregierung vorgenommen habe, seien die Kürzungen bei der Solarförderung nicht akzeptabel, sagte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Der Abbruch der Förderung ist immer noch zu abrupt“.
Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) drohte damit, die Einschnitte nicht mitzutragen. Er werde nicht zustimmen, wenn es kein klares Angebot der Bundesregierung gebe, um die Branche vor allem in den neuen Bundesländern zu halten, sagte Haseloff im ZDF-„Morgenmagazin“.
Brandenburgs rot-rote Landesregierung bekräftigte, sie werde die vorliegenden Pläne nicht mittragen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) will sich gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Ministerpräsidenten für Verbesserungen einsetzen. Ob der Nordosten allerdings am 11. Mai im Bundesrat für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmt, hänge vom Koalitionspartner CDU ab, sagte Regierungssprecher Andreas Timm. Auch Sachsen hatte vom Bund bereits Nachbesserungen gefordert.
Wenn mehrere CDU-regierte Länder mit SPD-Ländern stimmen, könnte das seit April zunächst nur vorläufig geltende Gesetz im Vermittlungsausschuss landen. Werden die Fördersätze dann noch geändert, müsste dies nachträglich entsprechend an Solaranlagenbesitzer vergütet werden. Nur wenn es gelingt, eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat für einen Einspruch gegen das Gesetz zustande zu bringen, könnte die Solarreform auch insgesamt gestoppt werden.
Der US-Konzern First Solar hatte die deutliche Förderkürzung für das Aus seines Standortes in Frankfurt an der Oder verantwortlich gemacht. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte nach einem Gespräch mit First Solar-Vertretern: „Die Verantwortung für den Verlust von 1200 Arbeitsplätzen liegt bei Norbert Röttgen.“ Der Bundesumweltminister hatte dies zurückgewiesen, Schuld seien massive Überkapazitäten. Da die Verbraucher die Förderung über den Strompreis bezahlen, geht es der Regierung auch darum, die Kosten für sie im Griff zu halten.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) appellierte an die ostdeutschen Regierungschefs, die Einschnitte bei der Solarförderung zu verhindern. „Ich hoffe sehr, dass die Ministerpräsidenten im Bundesrat ihr Veto einlegen“, sagte Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Es sei richtig, die Förderung schrittweise zurückzufahren - aber mit Augenmaß.
Ungewisse Aussichten trüben inzwischen die Investitionslaune in der gesamten deutschen Ökoenergiebranche. Mit 2,8 Milliarden Euro wurde 2011 trotz der Atomkatastrophe von Fukushima und der Kehrtwende der Bundesregierung rund eine Milliarde Euro weniger in neue Herstellungskapazitäten im Strombereich investiert als 2010. Für 2012 wird einer Branchenbefragung zufolge ein weiterer Rückgang auf 2,4 Milliarden Euro erwartet.
Harald Uphoff, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), betonte, entgegen der landläufigen Meinung könne von Aufbruchstimmung keine Rede sein. „Das Investitionsklima hat sich verschlechtert.“ Der Eindruck, der Laden müsse wegen der Energiewende brummen, sei falsch. Es fehlten auch Absatzmöglichkeiten im Ausland. Insgesamt seien die politischen Rahmenbedingungen nicht ideal.
Einen besonders starken Einbruch gibt es im Solarbereich. Chinesische Unternehmen, die meist billiger produzieren können, setzen den Unternehmen in Deutschland zu. Investierte die Solarbranche 2010 noch 1,7 Milliarden Euro, könnten es in diesem Jahr den Angaben zufolge nur noch 671 Millionen Euro sein.