Studimed klagt Post-Chef Appel: Firmenausgliederungen „nicht verhandelbar“
Bonn (dpa) - Die Deutsche Post hält auch nach fast vier Wochen Streik an der umstrittenen Ausgliederung von Paketgesellschaften mit niedrigerer Bezahlung fest.
„Dass es die neuen Gesellschaften gibt, ist für uns nicht verhandelbar“, sagte Konzernchef Frank Appel der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ). Für die bevorstehenden Tarifverhandlungen für die rund 140 000 Tarifbeschäftigten mit der Gewerkschaft Verdi an diesem Freitag und Samstag in Bad Neuenahr zeigte er sich dennoch zuversichtlich. „Ich bleibe Optimist und bin mir sicher, dass wir uns einigen können.“
Bei Kunden der Post wird derweil Kritik an der verspäteten Beförderung eiliger Sendungen lauter. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte beklagte in einer Mitteilung, dass Karten mit Blutproben von neugeborenen Kindern nicht rechtzeitig in den Laboren ankämen. Dadurch könne sich die Behandlung von zum Teil lebensbedrohenden Stoffwechselkrankheiten verzögern.
Das Kölner Unternehmen Studimed, das eilige Studienplatz-Bewerbungen ins Ausland verschickt, hatte schon vor Wochen versucht, die Post gerichtlich zur Wiederherausgabe solcher Sendungen zu zwingen. Das Kölner Amtsgericht lehnte den Antrag des Unternehmens aber ab. Gegen diese Entscheidung kündigte die Firma Studimed Widerspruch an.
In dem Tarifkonflikt sind die ausgegliederten Gesellschaften mit schlechterer Bezahlung für Verdi ein Knackpunkt. Derzeit arbeiten darin rund 6000 Menschen, die Zahl soll weiter steigen. Verdi sieht in dem Schritt einen Tarifbruch und fürchtet, dass nach der schlechteren Bezahlung im Paketdienst bald auch Einschnitte bei der personalintensiven Briefbeförderung folgen könnten.
Die Gewerkschaft hält der Post-Spitze vor, dass das Unternehmen schon jetzt mit zuletzt drei Milliarden Euro Jahresgewinn hohe Erträge erwirtschafte. Die weitere Steigerung der Gewinne dürfe nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen. Die Linke und die Grünen forderten im Bundestag ein Eingreifen des Bundes.
Appel betonte dagegen erneut, dass es in den Gesellschaften nur um neue Mitarbeiter gehe: „Die Mitarbeiter, die schon heute im Unternehmen beschäftigt sind, werden nicht schlechter gestellt. Aber wir müssen unsere Kostenstrukturen bei neu entstehenden Arbeitsplätzen wettbewerbsfähig machen.“
Die Post zahlt im Haustarif durchschnittlich gut 17 Euro, in den neuen Gesellschaften im Schnitt 13 Euro. Wettbewerber setzten dagegen vielfach Subunternehmer ein, die nur zum 8,50-Euro-Mindestlohn beschäftigten, argumentiert die Post.
Ein anderer Streitpunkt ist der Einsatz von Post-Beamten im Streik, die aus Verdi-Sicht als „Streikbrecher“ arbeiten. Darüber entscheidet das Bonner Arbeitsgericht an diesem Donnerstag. Das Gericht hatte die Einsätze Ende Mai für rechtmäßig erklärt, wenn sie freiwillig erfolgen. Nun will die Gewerkschaft Verdi aber in insgesamt 22 Fällen Beweise dafür vorlegen, dass Beamte mit ihrem Einsatz nicht einverstanden waren und protestiert haben.
Der Post-Chef verteidigte in dem Interview auch die umstrittene Sonntagszustellung, mit der die Post an bereits zwei Wochenenden liegen gebliebene Briefe und Pakete befördert hatte. „Wir gehen davon aus, dass es richtig und rechtlich erlaubt ist, in Streikzeiten auch am Sonntag Briefe auszutragen“, sagte er. „Dieser Auffassung folgen viele Bundesländer. Andere Bundesländer sehen das anders. Hier gibt es offensichtlich unterschiedliche politische Positionen.“ Zu den Kritikern der Praxis gehört unter anderem Nordrhein-Westfalen, während Bayern die Sonntagszustellung bisher gebilligt hat.