Preisabsprachen: Lkw-Kartell muss Rekord-Geldbuße bezahlen
Brüssel (dpa) - Es ist ein neuer Rekord: Knapp 2,93 Milliarden Euro müssen mehrere Lastwagenbauer wegen unerlaubter Preisabsprachen bezahlen. Die Strafe trifft Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault, wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte.
Die Münchner VW-Tochter MAN kommt als Hinweisgeber ungeschoren davon. Die höchste Einzelstrafe entfällt mit rund einer Milliarde Euro auf Daimler.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte, es gebe „gute Gründe“ für die Rekordstrafe. „Dieses Kartell betrifft einen sehr großen Markt und es hat sehr lange bestanden.“ Die Geldbuße ist doppelt so hoch wie eine 2012 verhängte EU-Kartellstrafe gegen Hersteller von Bildröhren für Fernseher und Computerbildschirme.
Das 1997 gegründete Lkw-Kartell war nach Angaben der europäischen Wettbewerbshüter 14 Jahre lang aktiv, es gab Absprachen auf der höchsten Führungsebene. Erst überraschende Untersuchungen durch die EU-Kommission setzten der Zusammenarbeit 2011 ein Ende.
Die meisten Firmen räumten ihre Schuld ein und stimmten einem Vergleich zu. Die EU-Kommission minderte daher die Geldbußen für Daimler, DAF (nun knapp 752,68 Millionen Euro), Volvo/Renault (fast 670,45 Millionen Euro) und Iveco (494,61 Millionen Euro), weil diese mit der Behörde bei ihren Ermittlungen zusammengearbeitet haben.
Gegen die ebenfalls verdächtigte schwedische VW-Tochter Scania laufen die Ermittlungen weiter, weil das Unternehmen einen Vergleich ablehnte. „Scania hat mit der Kommission zusammengearbeitet. Wir teilen aber nicht die Auffassung der Kommission, dass wir uns an Preisabsprachen beteiligt haben“, sagte eine Unternehmenssprecherin der Deutschen Presse-Agentur. „Wir teilen auch nicht die Ansicht, dass wir dazu beigetragen haben, die Einführung der mit dem EU-Recht konformen neuen Motoren zu verzögern.“
Auch den anderen Konzernen drohen nach der Kartellstrafe aus Brüssel weitere Kosten. Geschädigte können jetzt Schadenersatz gegen das Kartell geltend machen und bereiten bereits Klagen vor. „Einige große Spediteure haben uns mandatiert“, sagte Christopher Rother von der Kanzlei Hausfeld der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Allerdings müssen die geschädigten Unternehmen vor Gericht genau darlegen, welcher Schaden ihnen durch das Kartell entstanden ist. In der Vergangenheit liefen solche Streitigkeiten häufig auf Vergleiche hinaus.
Die Mitglieder des Kartells haben sich mehrere Formen unerlaubter Zusammenarbeit zuschulden kommen lassen. So haben sie ihre Verkaufspreise für mittelschwere und schwere Lastwagen abgesprochen und sich auch beim Zeitplan für die Einführung von Technologien zur Minderung schädlicher Emissionen verständigt. Die Kosten für diese Technologien gaben sie an ihre Kunden weiter.
EU-Wettbewerbskommissarin Vestager betonte die wirtschaftliche Bedeutung von Lastwagen für den Warentransport in Europa. „Daher kann nicht hingenommen werden, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF, die zusammen etwa neun von zehn der in Europa produzierten mittelschweren und schweren Lkw stellen, untereinander ein Kartell bilden, anstatt miteinander zu konkurrieren.“
Daimler bedauere die Vorfälle und habe Konsequenzen gezogen, sagte eine Unternehmenssprecherin. So seien interne Kontrollen gestärkt und Mitarbeiter verstärkt geschult worden. Der Stuttgarter Autobauer hatte schon 2014 mehr als 600 Millionen Euro für drohende Strafen aus dem Kartellverfahren zurückgelegt. Im zweiten Quartal dieses Jahres verbuchte der Konzern weitere 400 Millionen Euro für „Aufwendungen im Zusammenhang mit rechtlichen Verfahren“.
Die Vorstände bei Daimler haben der Sprecherin zufolge nichts zu befürchten. „Der Aufsichtsrat hat sich entsprechend seiner Verantwortung eingehend mit den aufgeworfenen Fragen einer etwaigen Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern befasst und dazu gutachtlichen Rat einer unabhängigen Anwaltskanzlei eingeholt.“ Auf dieser Basis sehe man gegenwärtig keinen Anlass für Schadensersatzansprüche. Die „Automobilwoche“ hatte zunächst darüber berichtet.
MAN verwies auf Unternehmensregeln, die „ein eindeutiges Bekenntnis zum freien und fairen Wettbewerb“ enthielten. „Das Unternehmen duldet keine unlauteren Geschäftspraktiken oder gesetzes- bzw regelwidriges Verhalten“, hieß es.