Regierung sieht Dämpfer für den Aufschwung

Berlin (dpa) - Der Aufschwung in Deutschland bekommt aus Sicht der Bundesregierung wegen zunehmender weltweiter Risiken einen spürbaren Dämpfer - es droht aber kein Sturz in die Rezession.

Für das kommende Jahr senkt die Regierung ihre Prognose von bisher 1,8 Prozent auf 1,0 Prozent, wie Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Donnerstag in Berlin mitteilte. Für dieses Jahr wird noch ein stärkeres Plus von 2,9 Prozent erwartet.

Auch wenn sich das Expansionstempo wie erwartet verlangsame, bleibe Deutschland „Stabilitätsanker und Wachstumsmotor für Europa“, betonte Rösler. Getragen wird die Entwicklung aber mehr und mehr von der Binnennachfrage. Der Exportboom schwächt sich ab.

Rösler sagte: „Auch ein Prozent Wachstum ist natürlich Wachstum.“ Von einer Rezession könne daher ausdrücklich keine Rede sein. Grund für den „etwas ruhigeren Wachstumspfad“ seien deutlich höhere Risiken aus dem internationalen Umfeld.

Mit der zunehmenden Verunsicherung durch die Schuldenkrise im Euroraum habe sich auch das Wachstumstempo der Weltwirtschaft merklich abgekühlt. Mit ihrer Prognose liegt die Regierung etwas über der Erwartung der führenden Forschungsinstitute, die für 2012 ein mageres Wachstum von 0,8 Prozent errechneten.

Die Nachfrage im Inland dürfte das gesamtwirtschaftliche Wachstum in diesem Jahr zu 80 Prozent und im kommenden Jahr fast vollständig tragen, erläuterte Rösler. Beim Export rechnet die Regierung für 2012 nur noch mit einem Anstieg um 3,5 Prozent nach wohl 7,5 Prozent 2011.

Die Arbeitslosigkeit dürfte im Schnitt dieses Jahres unter der Drei- Millionen-Marke bleiben. Bei der Quote werden 7 Prozent in diesem und 6,7 Prozent im nächsten Jahr prognostiziert. Die Inflation soll in diesem Jahr bei 2,3 Prozent, im kommenden bei 1,8 Prozent liegen.

Rösler betonte, es gelte, die Weichen „für einen langfristigen Weg nach oben“ zu stellen. Dazu sollten auch Steuerentlastungen bei der „kalten Progression“ ab Anfang 2013 beitragen, die er gemeinsam mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verkündete. Erforderlich seien daneben „eine wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung genauso wie glaubwürdige Schritte, um das Vertrauen in die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung zu stärken“.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte, die Kombination aus massiven Staatsschulden in vielen Industrieländern und labilen Finanzmärkten könne die globale Güternachfrage einbrechen lassen. Der von der Regierung erwartete Rückgang der Wachstumsraten nach zwei fulminanten Aufschwungjahren entspreche aber dem üblichen Zyklus.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rief die Regierung zum Handeln auf, damit die Realwirtschaft nicht noch einmal Opfer einer Finanzkrise werde. Nötig sei eine Entmachtung der Ratingagenturen.

Die aktuelle Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich nach Einschätzung von Experten unter der Last der EU-Schuldenkrise weiter verschlechtert. Volkswirte rechnen damit, dass der ifo-Index im Oktober zum vierten Mal in Folge gesunken ist. Das Münchner Institut gibt den Geschäftsklimaindex an diesem Freitag bekannt. Im September war der Index auf 107,5 Punkte gesunken.

Die Zahlungsmoral in Deutschland ist laut einer Branchenumfrage bei den Inkasso-Unternehmen in diesem Herbst so gut wie lange nicht. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen fürchtet im kommenden Jahr aber ein deutlich schlechteres Zahlungsverhalten - besonders dann, wenn die Euro-Schuldenkrise andauern sollte. In diesem Jahr seien rund 30 000 Firmenpleiten zu erwarten, 2000 weniger als 2010.