Boomendes Waffengeschäft Rheinmetall-Aktie kostet zehnmal mehr als vor Ukraine-Krieg

Düsseldorf · Waffenfirmen? Hatten lange kein gutes Image. Inzwischen hat sich das aus Sicht vieler Menschen geändert: Waffen sind nötig zur Verteidigung. Äußerst beliebt sind Rüstungsfirmen an der Börse.

Rheinmetall-Aktie kostet zehnmal mehr als vor Ukraine-Krieg
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Der Aktienkurs von Deutschlands größter Waffenschmiede hat sich seit Beginn des Ukraine-Krieges verzehnfacht. War ein Anteilsschein der Waffenschmiede am 23. Februar 2022 noch 96,8 Euro wert, so wurde das Papier am Mittwochmittag im Xetra-Handel für 968 Euro für Euro gehandelt.

Rheinmetall stellt Panzer, Militär-Lastwagen, Artillerie, Flugabwehr-Geschütze und Munition her - also Rüstungsgüter, die im Ukraine-Krieg dringend gebraucht werden. Das Unternehmen liefert Waffen an das von Russland angegriffene Land, außerdem profitiert es von der gestiegenen Nachfrage von Nato-Staaten, die sich von Russland bedroht fühlen und deshalb mehr in die Verteidigung investieren. Zum Produktportfolio von Rheinmetall gehört auch eine spezielle Infanterie-Kampfausrüstung mit digitalen Komponenten.

Auftragsbücher sind proppevoll

Der Rüstungskonzern macht deutlich mehr Geschäft als zuvor. Waren es im vierten Quartal 2021 etwa 1,8 Milliarden Euro, so erreichte der Umsatz im dritten Quartal 2024 schon rund 2,5 Milliarden Euro. Aktuellere Zahlen für vergangenes Jahr stellt das Unternehmen Mitte März vor.

Der steile Wachstumskurs lässt sich noch besser an den vollen Auftragsbüchern erkennen: Das „Backlog“, das neben dem Auftragsbestand auch die erwarteten Abrufe aus langfristig laufenden Rahmenverträgen und die Potenziale in anderen Geschäften umfasst, lag Ende 2021 bei 24,5 Milliarden Euro. Im Herbst 2024 waren es knapp 52 Milliarden Euro, Tendenz steigend.

Rheinmetall hat seine Produktionskapazitäten ausgeweitet, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Das größte Werk ist im niedersächsischen Unterlüß, wo Panzer und Munition hergestellt werden.

Nach dem Ende des Kalten Krieges kaufte der Bund weniger Waffen bei der heimischen Rüstungsindustrie ein, daraufhin verstärkte Rheinmetall sein Auslandsgeschäft mit Nato-Staaten und Nato-befreundeten Staaten, etwa Australien. Das hat sich in den vergangenen drei Jahren etwas geändert: Der Ukraine-Krieg war gewissermaßen ein Warnschuss für den Bund, selbst wieder mehr zu bestellen bei den heimischen Waffenschmieden.

„Zeitenwende 2.0“

Bei dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen des Bundes, das 2022 auf den Weg gebracht wurde, konnte sich Rheinmetall einen beträchtlichen Teil sichern. Da eine unionsgeführte Bundesregierung sehr wahrscheinlich mehr Geld in die Verteidigung stecken wird als derzeit vorgesehen, kann sich Rheinmetall auch künftig berechtigte Hoffnungen auf Extra-Bestellungen machen. Schon jetzt konnte sich die Firma Milliardenaufträge etwa für Munition und für die überfällige Digitalisierung der Bundeswehr sichern.

Ein weiterer Wachstumstreiber ist die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, dass sich Europa künftig selbst um seine Sicherheit kümmern muss - auch deswegen werden die EU-Staaten wesentlich mehr Geld in ihre Verteidigungsfähigkeit investieren müssen als bislang.

Es gebe „eine Zeitenwende 2.0“, sagt ein Branchenkenner, der namentlich nicht genannt werden will. „Die Amerikaner ziehen sich zurück und die Europäer müssen ihre maroden Armeen dringend modernisieren und die Waffenbestände aufstocken: Sie müssen kaufen, kaufen, kaufen.“ Hierbei wollten die EU-Staaten verstärkt auf die heimische Rüstungsindustrie setzen, um die Abhängigkeit von der US-Waffenindustrie zu reduzieren, so der Experte. Auch dies spiele Rheinmetall und anderen europäischen Rüstungsfirmen in die Karten.

Trotz des erheblich gestiegenen Börsenkurses von Rheinmetall sehen einige Finanzanalysten noch Luft nach oben, die LBBW hob das Kursziel für den deutschen Konzern kürzlich von 870 auf 1200 Euro an. Andere Fachleute sind bei ihrer Einschätzung defensiver. Rüstungsfirmen wie der Elektronik-Spezialist Hensoldt und der Getriebebauer Renk sind an der Börse ebenfalls im Aufwind.

Zulieferer buhlen um Aufträge aus der Waffenbranche

Im Fahrwasser des Rüstungsbooms versuchen nun auch andere Unternehmen, die bislang gar kein oder nur wenig Geschäft mit der Waffenbranche haben, an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung teilzuhaben. So bewerben sich einige Ingenieurbüros, die bislang nur für die Autobranche tätig waren, inzwischen auch um Aufträge von Rüstungsfirmen.

Das Kölner Unternehmen Deutz stellt bislang vor allem Motoren für Krane, Hebebühnen, Landmaschinen, Gabelstapler und andere zivile Anwendungen her. Der Umfang seiner Geschäfte als Rüstungszulieferer ist klein: Ein polnischer Truppentransporter hat einen Deutz-Motor, manch Panzer hat zudem einen Deutz-Hilfsmotor. Gut möglich, dass die Firma künftig auch Hauptmotoren für die Stahlkolosse herstellt. „Verteidigung ist ein Wachstumsfeld, bei dem wir mit unserem Produktportfolio noch deutlich mehr tun können“, teilt Deutz mit.

Der Laserspezialist Trumpf aus Ditzingen (Baden-Württemberg) überlegt, ob er sich „mit seiner Lasertechnik auch verteidigungspolitischen Anwendungen öffnen sollte“. Für Trumpf wären Geschäfte mit der Rüstungsbranche Neuland. Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller betont, das wäre „keine Zeitenwende der Werte - sondern die Evolution unserer gesellschaftlichen Verantwortung“.

„Rheinmetall ist sehr gefragt, auch auf der Lieferantenseite“, heißt es von dem Konzern. „Häufig kontaktieren uns Lieferanten, die sich aus dem Automotive-Bereich nun in Richtung Verteidigungsindustrie umorientieren wollen.“ Allerdings unterschieden sich die Anforderungen im militärischen Bereich sehr deutlich von denen der Autoindustrie. Wegen spezieller Anforderungen müsse man beim Einkauf genau selektieren. „Da wir auch eigene Fertigungskapazitäten erheblich ausgebaut haben, kommen externe Bewerber insbesondere um Fertigungsaufträge häufig nicht in Betracht.“

© dpa-infocom, dpa:250226-930-387475/2

(dpa)