Sarrazin-Affäre: Die Bundesbank verliert an Ansehen
Experten kritisieren den zu politisch besetzten Vorstand. Es fehlt Fachwissen.
Frankfurt. Der Machtkampf in der Bundesbank offenbart ein Dilemma. In der Affäre um Thilo Sarrazin geht es längst nicht mehr nur um abfällige Äußerungen über Ausländer. Es geht vor allem um eine tiefe Krise der Notenbank. Präsident Axel Weber, der als durchsetzungsstarker und machtbewusster Fachmann gilt, muss sich im Vorstand mit vielen Nicht-Fachleuten herumschlagen. Und Schuld daran ist auch die Politik.
Die Bundesbank, einst ein Mythos und Bollwerk im Kampf um eine harte Währung, verliert an Ansehen. Nicht nur die Euro-Einführung hat die Bedeutung der Bundesbank, die Kompetenzen an die Europäische Zentralbank abgeben musste, geschmälert. In der Behörde dominieren heute Politiker wie Thilo Sarrazin. Es fehlen Experten, die mit Wissen und Leistung das Ansehen der Notenbank stärken könnten. "Die Besetzung von Vorstandsposten ist rein politisch und wird vom Bundesrat bestimmt - das ist unglücklich", sagt Professor Dirk Schiereck von der Technischen Universität Darmstadt.
Von Anfang an stand die Personalie Sarrazin unter keinem guten Stern. Weber ließ keinen Zweifel daran, dass er Sarrazin nicht im Vorstand haben wollte. Der ehemalige Berliner Finanzsenator galt als Enfant terrible - zu direkt, zu provokant, zu wenig Fachwissen, hieß es. Doch das Vorschlagsrecht für den Posten stand den Ländern Berlin und Brandenburg zu - Weber musste sich fügen. Nun hat die Notenbank dem unbequemen SPD-Politiker, der auf fünf Jahre bestellt wurde, Kompetenzen entzogen. Weber kann Sarrazin aber nicht rausschmeißen, weil er ihm schwerwiegende Verfehlungen nachweisen müsste, und die Hürden dafür hoch sind.
Mit Axel Weber und Thilo Sarrazin kabbeln sich zwei Vorständler, die mit einem Ticket der SPD in ihr Amt gekommen sind. Weber wurde noch unter Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) berufen. Rot-Grün wollte mit dem parteilosen renommierten Kölner Wirtschaftswissenschaftler und Regierungsberater Weber den unionsnahen starken Mann der Bundesbank, Jürgen Stark, als Präsident verhindern.
Die Bundesbank will die Affäre nun schnell beenden, denn sie kommt zur Unzeit. Ausgerechnet jetzt soll die Bundesbank mit der Bankenaufsicht neue Aufgaben übernehmen. Damit würde sie mächtiger, doch könnte ihre in der Vergangenheit sorgsam gehütete Unabhängigkeit leiden, wenn sie hochpolitische Fragen entscheidet.