Scharfe Kritik des Tui-Chefs an Vorgänger
Hannover (dpa) - Nach seinem ersten Jahr an der Konzernspitze hat Tui-Chef Friedrich Joussen deutliche Kritik an der Arbeit seines Vorgängers Michael Frenzel geübt.
Ohne ihn namentlich zu nennen betonte Joussen bei der Hauptversammlung in Hannover, das verloren gegangene Vertrauen der Aktionäre habe den Konzern zwischenzeitlich „in eine sehr gefährliche Lage gebracht“. Inzwischen zeigt der Trend bei Tui allerdings wieder leicht nach oben.
Joussens Vorgänger Frenzel hatte den Konzern 19 Jahre lang geführt und seinem Nachfolger einige Baustellen wie die defizitäre Kreuzfahrt-Tochter Hapag-Lloyd und die ungeliebte Beteiligung an der gleichnamigen Container- Reederei hinterlassen.
Netto flossen dem heutigen Chef zufolge damals 100 Millionen Euro Barmittel pro Jahr aus dem Unternehmen ab: „Der Konzern wurde als Wertvernichter angesehen.“ Die Verkleinerung der Konzernzentrale sei daher unumgänglich gewesen.
Zum Winterstart konnte die Tui AG ihren saisontypischen Verlust jetzt eindämmen und die Einbrüche bei den Reisen ins krisengeschüttelte Ägypten ausgleichen. Der saisontypische Fehlbetrag verringerte sich unter dem Strich um 22 Prozent auf 109 Millionen Euro, der Konzernumsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp drei Prozent auf 3,4 Milliarden Euro zurück. Der um Sondereffekte bereinigte operative Verlust verringerte sich um weniger als ein Prozent auf 141 Millionen Euro. Reiseveranstalter schreiben im Winter meist rote Zahlen, Gewinne in der Hauptreisezeit im Sommer.
Vom Aufsichtsrat bekam Joussen Zuspruch für seinen Sanierungskurs. „Das Fundament für weiteres profitables Wachstum ist gelegt“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Mangold. Nach dem Applaus der Aktionäre für den neuen Mann im Chefsessel betonte er: „Ja, da steckt viel Arbeit dahinter!“ In seiner Rede zog Mangold eine positive Bilanz nach einem Jahr Joussen: Der Aktienwert sei spürbar gestiegen, die Neuausrichtung eingeleitet. „Ich glaube, wir sind im vergangenen Geschäftsjahr ein grosses Stück nach vorne gekommen“, sagte er.
Vor dem Hintergrund einer umstrittenen Gewerbesteuer-Nachforderung warnte Joussen vor einer existenziellen Gefährdung der Tourismusbranche und hielt der Politik Untätigkeit vor: „Wir schätzen, dass etwa 25 000 Arbeitsplätze und ein Drittel der Firmen unserer Branche vom Markt verschwinden würden.“
Der Politik sei die Tatsache bekannt, sie bleibe aber untätig. „Sie duckt sich momentan eher weg und wartet ab, ob es wirklich so schlimm kommt und überlässt das Thema der Ministerialbürokratie und den Gerichten“, war in der vorab verbreiteten Rede Joussens zu lesen. Er rief die Branche auf, „geschlossener, klarer und selbstbewusster“ aufzutreten.
Die umstrittene Nachforderung begründen Finanzämter mit einer Reform des Gewerbesteuergesetzes vor fünf Jahren. Demnach werden bei der Berechnung der Gewerbesteuer auch die Hälfte aller Pacht- und Mietzahlungen sowie Leasinggebühren für „unbewegliche Anlagegüter“ berücksichtigt. Betriebsprüfer machten dieses Verfahren auch für den Einkauf von Hotelkontingenten durch Reiseveranstalter geltend. Die Branche wehrt sich dagegen.
Joussen will nun auch die Kreuzfahrttochter Hapag-Lloyd auf Gewinn trimmen. Sie schreibt im Gegensatz zur jüngeren Schwester Tui Cruises rote Zahlen. Nun sollen zwar beide Kreuzfahrtlinien weiterbetrieben werden, investieren will Joussen aber nur noch bei Tui Cruises. Die Linie will ihre Flotte bis 2015 auf vier Schiffe verdoppeln.
Als große Herausforderung sieht er die Konkurrenz durch Reiseanbieter im Internet, etwa durch Meta-Suchmaschinen wie Trivago oder Tripadvisor. Tui müsse sich mit eigenen, unverwechselbaren Hotelangeboten davon absetzen, um als Großkonzern mit rund 73 000 Mitarbeitern zu bestehen.