„Willkommen bei Freunden“: Mit diesen Worten richtet sich der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn der Hannover Messe an Kanada. Es ist das diesjährige Partnerland der weltgrößten Industrieschau. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump sieht sich Kanada mit Zöllen seines bisher wichtigsten Handelspartners konfrontiert und sucht auf der Messe nun nach neuen Partnern in Europa.
„We stand by your side!“ (deutsch: „Wir stehen an eurer Seite!“), sagte Scholz. „Kanada hat Freunde überall auf der Welt - und ganz besonders viele davon hier in Deutschland und Europa.“ Mehr Unsicherheit und mehr Unberechenbarkeit, mehr Zölle und mehr Fragmentierung - das verheiße für die allermeisten Unternehmen nichts Gutes. „Doch ich bin überzeugt: Wir sind diesen Entwicklungen nicht wehrlos ausgesetzt.“
„Hannover-Effekt“ statt „America first“
Scholz machte klar: „Wenn die USA uns keine Wahl lassen, so wie bei den Zöllen auf Stahl und Aluminium, werden wir als EU geschlossen reagieren.“ Die Antwort auf Abschottung, Zölle und „America first“ („Amerika zuerst“) laute: mehr freier Handel, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr technologische Souveränität. „Ein Blick auf die Märkte und Börsenkurse zeigt doch: Nicht wir sind mit unserer Zollpolitik derzeit auf dem Holzweg“, sagte Scholz. Handelskriege seien eben nicht wirklich zu gewinnen, nicht einmal für die USA.
Europas Devise in der Handelspolitik sei: „Wir sind offen, aber wir sind nicht naiv“, sagte Scholz. Man werde weiter auf freien Handel mit möglichst vielen Partnern weltweit setzen. Allein seit dem Inkrafttreten des kanadisch-europäischen Handelsabkommens CETA 2017 sei der Güterhandel um mehr als 50 Prozent gestiegen. Und der Güterhandel, da ist sich Scholz sicher, werde schon bald weiter steigen. „Ich nenne das mal den "Hannover-Effekt".“
Politik trifft auf Wirtschaft und Wissenschaft
Rund 4.000 Aussteller aus mehr als 60 Ländern zeigen von Montag an auf dem Messegelände ihre Neuheiten, darunter 260 aus Kanada. Scholz wird sich am Vormittag beim traditionellen Kanzlerrundgang einen Überblick verschaffen.
Hannover sei kommende Woche „the place to be“, also der Ort, an dem man sein müsse, sagte Siemens-Chef Roland Busch in seiner Rede auf der Eröffnungsfeier. Hier treffe Politik auf Wirtschaft und Wissenschaft, würden neue Kontakte geknüpft. Und das vor dem Hintergrund einer sich rasant verändernden Welt. „Und vielleicht ist keine andere Wirtschaft mehr betroffen als die deutsche.“
Verlässlichkeit als Europas Stärke
Trotz aller Hürden bleibe Europa „eine verlässliche Wirtschaftsregion“, sagte Bertram Kawlath, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). „Man hält sich an Regeln, statt mit Zöllen, Handelshemmnissen und plötzlichen Gesetzesänderungen um sich zu werfen und schlimmstenfalls Partnerschaften zu beenden.“ Diese Verlässlichkeit sei eine der größten Stärken Europas.
Das gelte nun auch für ein mögliches Zusammenrücken mit Kanada. „Die deutsche Wirtschaft hat sehr enge Beziehungen zu Kanada, und ich freue mich, dass diese Beziehungen in den nächsten Tagen noch intensiviert werden sollen“, sagte Busch. „Vor dem Hintergrund der weltpolitischen Entwicklungen wird es umso wichtiger, die europäisch-kanadischen Beziehungen - politisch wie wirtschaftlich - zu stärken“, sagte Kawlath. „Kanada ist ein verlässlicher Partner, der unseren Unternehmen große Chancen bietet.“
Großen Raum nimmt auf der Industrieschau erneut die Künstliche Intelligenz ein. Schwerpunkte sind daneben Wasserstoff, klimaschonende Produktion und die industrielle Transformation. Erwartet werden Besucher aus 120 Ländern. Vor einem Jahr kamen 130.000 Besucher zur Messe.
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