Siemens erwischt durchwachsenen Start ins Jahr
München (dpa) - Siemens hat nach einem durchwachsenen Start ins neue Geschäftsjahr den Unmut der Aktionäre zu spüren bekommen.
Die von manchen Anlegern erwartete scharfe Abrechnung mit Vorstandschef Peter Löscher und seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme blieb am Mittwoch auf der Hauptversammlung in München allerdings aus. Cromme und Löscher verteidigten ihren Kurs: Siemens stehe trotz aller Probleme gut da und werde an seinem eingeschlagenen Weg festhalten.
Im ersten Quartal des Siemens-Geschäftsjahres von Oktober bis Dezember fiel der Gewinn um 12 Prozent auf 1,21 Milliarden Euro. Der Umsatz legte dank eines noch guten Auftragspolsters zwar leicht zu auf 18,1 Milliarden Euro. Aber erneut drückten Sonderbelastungen das Ergebnis. Die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn kostete Siemens 116 Millionen Euro, bei der Solarsparte fielen wegen weiterer Abschreibungen sogar 150 Millionen Euro Verlust an. Hier seien weitere Belastungen im Jahresverlauf nicht auszuschließen, sagte Finanzchef Joe Kaeser.
Löscher stimmte die Aktionäre auf eine schwierige Wegstrecke ein: „Auch für den weiteren Jahresverlauf erwarten wir von der Weltwirtschaft keinen Rückenwind“, sagte er. Im Gesamtjahr dürfte der Gewinn im Kerngeschäft von 5,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf 4,5 bis 5,0 Milliarden Euro weiter sinken. Siemens richte seine volle Aufmerksamkeit auf das Sparprogramm, mit dem der Konzern nächstes Jahr beim Profit wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz kommen will. Das Programm soll bis September noch fast eine Milliarde Euro kosten - hier wurden im ersten Quartal erst 50 Millionen gebucht.
Cromme stärkte Löscher angesichts der öffentlichen scharfen Kritik der letzten Monate den Rücken. „Wir lassen uns aber nicht vom Kurs abbringen, auch wenn manche Medien diesen hinterfragen und teilweise versuchen, Uneinigkeiten in Vorstand und Aufsichtsrat zu konstruieren, wo keine sind“, sagte er.
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagte, Siemens habe kein gutes Jahr hinter sich. Aber die Führung habe die richtigen Schlüsse gezogen. Jetzt müsse Löscher auch anpacken und liefern. Der Vertreter von DWS Investment, Henning Gebhardt, sagte, Siemens liefere seit Mitte 2011 enttäuschende Ergebnisse, Siemens kämpfe wie kaum ein anderes Unternehmen mit Pannen und Problemen bei Übernahmen.
Löscher sagte, Siemens habe seit 2011 unzweifelhaft an Boden verloren und werde jetzt wieder aufholen. Zur Kritik an seiner Führung meinte er: „Siemens ist erfolgreich unterwegs, und ich bin ruhig und gelassen, und das Führungsteam ist geschlossen.“ Finanzchef Kaeser sagte: „Wenn es um Siemens geht, halten wir zusammen.“
Die Hauptversammlung besiegelte die Trennung von Siemens von seiner traditionsreichen Lichttochter Osram. Damit erhalten die Siemens-Aktionäre für je zehn Aktien zusätzlich eine Osram-Aktie in ihr Depot. Die Osram-Aktien sollen voraussichtlich ab Sommer an der Börse gehandelt werden. Siemens behält nur noch 19,5 Prozent der Anteile. Osram machte im abgelaufenen Quartal knapp 80 Millionen Euro Gewinn.
Aufsichtsratschef Cromme wurde von der Hauptversammlung für weitere fünf Jahre in das Kontrollgremium gewählt. Cromme, der im Februar 70 Jahre wird, erhielt 90 Prozent der Stimmen. Einige Aktionärsvertreter hatten Cromme vorgeworfen, die Chance für einen Generationenwechsel und Neuanfang verpasst zu haben, ohne jedoch seine Eignung in Frage zu stellen. Der ehemalige MAN-Chef Hakan Samuelsson und zwei weitere Kapitalvertreter schieden aus dem Aufsichtsrat aus, für sie rückten die türkische Unternehmerin Güler Sabanci, der Chef des französischen Energieriesen GDF Suez, Gérard Mestrallet, sowie Ex-Bayer-Chef Werner Wenning nach.
Der deutlich profitablere Siemens-Konkurrent General Electric (GE) hatte Umsatz, Gewinn und Auftragseingang im vergangenen Quartal gesteigert. Bei Siemens lief das Geschäft mit Gasturbinen sowie in der Medizintechnik her, wo jetzt die Früchte eines früheren Umbauprogramms geerntet werden. Das Industriegeschäft litt dagegen darunter, dass viele Firmen Ausgaben für neue Anlagen auf Eis gelegt haben. China werde frühestens ab Sommer wieder eine Hilfe sein. Der Auftragseingang lag erstmals seit drei Quartalen wieder über dem Umsatz, blieb aber hinter dem Vorjahresquartal.