Siemens greift nach Alstom
Paris/München (dpa) - Siemens will im Übernahmepoker um Alstom ein eigenes Angebot vorlegen. Voraussetzung sei allerdings eine Prüfung der Bücher des französischen Rivalen. Das teilte der Münchner Elektrokonzern in einem kurzen Schreiben am Dienstag mit.
Wie eine Übernahme von Teilen von Alstom oder sogar des kompletten Unternehmens im Detail aussehen könnte, offenbarte die Führung des Dax-Konzerns aber nicht - der Ausgang des Verfahrens ist offen.
„Voraussetzung dafür ist, dass Alstom Siemens einen Zeitraum von vier Wochen mit Zugang zu Daten des Unternehmens und erforderlichen Managementinterviews einräumt, damit Siemens eine angemessene Prüfung des Alstom-Geschäfts durchführen kann“, hieß es in der knappen Mitteilung im Anschluss an eine Sitzung des Aufsichtsrats. Ein entsprechendes Schreiben sei am Nachmittag an Alstom übermittelt worden. Bis zum Abend gab es keine Reaktion der Franzosen.
Alstom hatte in den vergangenen Monaten heimlich nur mit dem US-Rivalen von Siemens, General Electric (GE), über eine Übernahme verhandelt. Unklar war am Abend auch, wie sich GE nun verhalten wird. Die französische Finanzmarktaufsicht AMF forderte Alstom auf, die vorliegenden Angebote spätestens am Mittwochmorgen offenzulegen. Im Anschluss solle der seit Freitag ausgesetzte Handel mit Aktien des Unternehmens dann wieder aufgenommen werden.
Einzelheiten zu den eigenen Vorstellungen nannte Siemens nicht, auch über die weiteren Schritte in dem Verfahren verlautete nichts. Rasch können die Beteiligten also kaum mit Klarheit rechnen - es sei denn, Alstom würde das Angebot der Münchner rasch zurückweisen. Der Konzern hatte bereits angekündigt, bis Mittwochvormittag über das weitere Vorgehen informieren zu wollen. Am Dienstagabend wollte der Verwaltungsrat des Unternehmens zusammenkommen.
In den vergangenen Tagen war in Unternehmenskreisen und Berichten für den Fall einer Einigung meist von einem Tausch die Rede. Siemens würde in diesem Fall die Energiesparte von Alstom übernehmen und im Gegenzug das eigene Zuggeschäft an die Franzosen abgeben. Die IG Metall stellte für diesen Fall klar, dass sie Sicherheiten für die rund 11 500 Beschäftigten der Sparte einfordern wird.
„Eine zwingende Voraussetzung für den geplanten Tausch von Siemens' Zugsparte gegen Alstoms Energiebereich sind natürlich umfassende Garantien für die Sicherheit der Beschäftigung und aller betroffenen Siemens-Standorte“, sagte Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler am Dienstag. Generell stehe die Gewerkschaft einer Einigung zwischen Siemens und Alstom nicht ablehnend gegenüber, betonte er.
Alstom-Mitarbeiter protestierten am Dienstag vor einer Niederlassung in Saint-Ouen bei Paris gegen die Zerschlagungspläne, auch in Mannheim gab es eine Demonstration. Bei einem Treffen mit Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg forderten Gewerkschafter eine erneute Teilverstaatlichung des Unternehmens.
Die Regierung werde alle notwendigen Mittel ergreifen, um die Interessen des Staates bei Alstom zu schützen, sagte Montebourg. Der Minister hatte in den Vortagen deutlich gemacht, dass er einen Deal mit Siemens vorziehen würde. Dies würde es erlauben, im Zuggeschäft einen „Weltmarktführer made in France“ aufzubauen. Um eine Chancengleichheit der Angebote von Siemens und GE zu gewährleisten, schaltete Paris am Dienstag die Aufsichtsbehörde AMF ein.
Am Montag hatten Siemens-Chef Joe Kaeser und zuvor auch GE-Boss Jeff Immelt in Paris Präsident François Hollande getroffen. Beide lobten danach die offene Atmosphäre der Gespräche, machten aber keine Angaben zum Inhalt.