Spanien will bis zu 65 Milliarden Euro einsparen

Madrid (dpa) - Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy will mit zusätzlichen Sparmaßnahmen in den nächsten Jahren bis zu 65 Milliarden Euro einsparen.

Der konservative Politiker gab den neuen Sparplan zum Abbau des hohen Haushaltsdefizits in den kommenden zweieinhalb Jahren am Mittwoch im spanischen Parlament bekannt. In einem dramatischen Appell rief Rajoy zum Handeln auf: „Wir sind in einem entscheidenden Moment. Das ist die Realität, und wir müssen aus der Patsche kommen.“

Es ist bereits das vierte Sparpaket, das seine Regierung innerhalb eines halben Jahres beschlossen hat. In Madrid kam es bei Protesten gegen Einsparungen zu Ausschreitungen. Bei einer Demonstration von Bergarbeitern gegen Kürzungen im Steinkohlebergbau wurden nach Angaben der Nachrichtenagentur EFE mehrere Menschen verletzt.

Mit den neuen Sparmaßnahmen kommt die spanische Regierung einer Reihe von Forderungen der EU-Kommission in Brüssel entgegen. Das Euro-Schwergewicht muss umfangreiche Auflagen erfüllen, um an die Milliardenhilfen für seine maroden Banken zu kommen.

Rajoy kündigte im Parlament unter anderem eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent an. Der ermäßigte Satz wird von acht auf zehn Prozent angehoben. Rajoy gestand ein, dass die Anhebung der Mehrwertsteuer seinen eigenen Wahlversprechen zuwiderläuft. „Die Umstände haben sich jedoch geändert, und ich muss mich dieser Realität anpassen“, erklärte der Regierungschef.

Der Steuerabzug beim Wohnungskauf wird 2013 gestrichen. Das Arbeitslosengeld für Arbeitnehmer wird nach sechs Monaten gekürzt. Es wird jedoch weiterhin über zwei Jahre ausgezahlt. Die neuen Sparmaßnahmen sehen zudem eine Abschaffung des Weihnachtsgeldes für Beamte und Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung vor. Die Ministerien müssen ihre Ausgaben zusätzlich um 900 Millionen Euro kürzen. Die Zahl der Staatsunternehmen soll drastisch reduziert werden. Der Eisenbahnsektor, die Häfen und die Flughäfen werden möglicherweise privatisiert.

Die Eurogruppe hatte am Dienstag beschlossen, dem krisengeschüttelten Spanien mehr Zeit zur Haushaltssanierung zu geben. Madrid muss erst 2014 das ursprünglich für 2013 gesetzte Defizitziel von drei Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen. Zudem wurde das Ziel für 2012 von 5,3 auf 6,3 Prozent angehoben. Das Haushaltsloch war 2011 auf 8,9 Prozent gestiegen.

Rajoy räumte erstmals ein, dass der Anfang des Jahres eingesetzte Abschwung wahrscheinlich auch im nächsten Jahr andauern werde. „In der jetzigen Situation ist es in Spanien unmöglich, Wachstum zu erreichen und Arbeitsplätze zu schaffen.“

Die Auflagen, die das Euro-Schwergewicht im Gegenzug für die Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro für seine maroden Banken erfüllen muss, sind streng. Das geht aus der Vereinbarung mit den EU- und Euro-Partnern hervor. Die Vereinbarung soll am 20. Juli von den Euro-Finanzministern unterzeichnet werden. Darin verpflichtet sich Spanien, seinen Bankensektor, der unter den Folgen einer geplatzten Immobilienblase leidet, in einem mehrstufigen Prozess zu sanieren.

Bis zur zweiten Septemberhälfte soll durch weitere Buchprüfungen und Stresstests das genaue Ausmaß der Probleme und damit der endgültige Kapitalbedarf der Banken festgestellt werden. Danach werden die Institute je nach Zukunftsperspektive mit frischen Mitteln aufgepäppelt und restrukturiert oder abgewickelt. Faule Kredite sollen in eine „Bad Bank“ wandern. Das Anpassungsprogramm hat eine Laufzeit von 18 Monaten und wird in dreimonatigen Abständen durch Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der europäischen Bankenaufsicht EBA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) überwacht.

Unangenehme Folgen könnte die Bankenrettung für spanische Kleinsparer mit sich bringen: So soll eine der Bedingungen für die Hilfsgelder sein, dass private Gläubiger belastet werden. Das berichten die spanische Zeitung „El País“ und die britische „Financial Times“. Entsprechende Pläne wurden mittlerweile von der EU-Kommission bestätigt. Demnach sollen die Anteilseigner von hilfsbedürftigen spanischen Banken gezwungen werden, Forderungen abzuschreiben. Betroffen seien Vorzugsaktien und nachrangige Schuldverschreibungen - Papiere, die in großem Stil als Sparprodukte an Privatanleger verkauft wurden. Laut Zahlen der spanischen Notenbank soll es um ein ausstehendes Volumen von mehr als 60 Milliarden Euro gehen.