Schlecker Staatsanwaltschaft beschuldigt Schlecker in 36 Fällen
Stuttgart (dpa) - Kurz vor dem Niedergang seines Drogerie-Imperiums soll Anton Schlecker in 36 Fällen viel Geld beiseite geschafft haben.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, damit sein Vermögen vor der Pleite vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt zu haben, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte.
Zudem soll Schlecker 2009 und 2010 den Zustand des Konzerns im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht haben.
Der Anwalt des Ex-Firmenchefs kritisierte die Ankläger. Die Verbreitung von Teilen der vom Gericht noch nicht zugelassenen Anklageschrift sei unzulässig, auch weil sie zu einer Vorverurteilung führen könnte, schreibt der Jurist Norbert Scharf in einer Mitteilung, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Zuvor hatte die „Schwäbischen Zeitung“ darüber berichtet.
Voreilige Festlegungen verböten sich, betonte der Anwalt. Sein Mandant werde sich öffentlich nicht äußern, dies würde Schlecker nur vor Gericht tun. Es gehe um einen rechtlich schwer einzuordnenden Sachverhalt, erklärte Scharf und pochte auf ein „faires und geordnetes Verfahren“.
Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Stuttgart ermittelte jahrelang gegen Schlecker. Neben dem 71 Jahre alten Firmenpatriarchen sind auch seine Ehefrau Christa, seine zwei Kinder sowie zwei Wirtschaftsprüfer angeklagt. Sie sollen Anton Schlecker beim vorsätzlichen Bankrott geholfen haben.
Auf Bankrott steht eine Haftstrafe von bis zu fünf, bei besonderes schweren Fällen von bis zu zehn Jahren. Über die Zulassung der Anklage entscheidet nun das Landgericht Stuttgart. Ob das noch in diesem Jahr passieren wird, ist offen.
Schleckers Kindern Meike und Lars werden außerdem Insolvenzverschleppung und Untreue vorgeworfen. Sie sollen das Logistikunternehmen LDG als faktische Geschäftsführer um mehrere Millionen Euro geschädigt haben. Obwohl sie von den Schulden und Verlusten des Unternehmens gewusst hätten, sollen sie sich Millionen Euro als angebliche Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2011 haben ausschütten lassen.
Zudem sollen sie ihrer Mutter mehr als 50 000 Euro auf das Privatkonto für nie geleistete Beratertätigkeiten überwiesen haben. Ein weiteres Mal sollen 19 000 Euro illegal auf das Privatkonto der Mutter geflossen sein. Meike und Lars Schlecker hätten überdies bewusst versäumt, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.
Die beiden Wirtschaftsprüfer sollen die falsche Bilanzierung Schleckers zwar erkannt, aber dennoch erklärt haben, dass die Jahresabschlüsse den gesetzlichen Vorgaben entsprächen.
Es geht um viel Geld - „insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag“, sagte Staatsanwalt Jan Holzner. An der strafrechtlichen Aufarbeitung ist auch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz interessiert. Nach einem Streit um übertragenes Vermögen zahlte die Familie dem Insolvenzverwalter 2013 bereits 10,1 Millionen Euro. Geiwitz werde je nach den Ergebnissen der strafrechtlichen Ermittlungen weitere Rechte der Gläubiger geltend machen, hieß es aus der Insolvenzverwaltung.
Anton Schlecker führte seinen Konzern als „eingetragener Kaufmann“ (e.K.). Dank dieser Rechtsform konnte er rund um sein Drogerie-Imperium vieles geheimhalten, bei Kreditvergaben hatte er zudem bessere Karten. „Wir haben da nicht die Publizitätspflichten, der kann im stillen Kämmerlein vor sich hin werkeln“, erklärte der Frankfurter Juraprofessor Matthias Jahn. Doch der Preis dafür war am Ende hoch: Schlecker haftete mit seinem kompletten Privatvermögen für alle Schulden.
„Die übliche Verteidigungsstrategie in Bankrottverfahren ist: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich schon derart überschuldet bin“, sagt Jahn. Die Staatsanwaltschaft betrachtet 13 von 36 Fällen als besonders schwer.
Europas ehemals größte Drogeriekette Schlecker hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Etwa 25 000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Die Gläubiger forderten rund eine Milliarde Euro. Das Handelsunternehmen aus Baden-Württemberg hatte zu seinen Bestzeiten rund 9000 Märkte im In- und Ausland.
Die Anklageschrift ging nun beim Stuttgarter Landgericht ein und ist nach Angaben des Gerichts auch überwiegend an die Beschuldigten zugestellt. Die Kammer prüft die Akten und wird dann entscheiden, ob es zur Hauptverhandlung kommt. „Ich vermute nicht, dass das Gericht in absehbarer Zeit eine Entscheidung trifft“, sagte eine Sprecherin. Es sei durchaus möglich, dass es erst im nächsten Jahr so weit sei.