Stabwechsel beim Ifo-Institut besiegelt: Fuest folgt Sinn
München (dpa) - Ende einer Ära in München: Ifo-Chef Hans-Werner Sinn gibt sein Amt im kommenden Frühjahr an Clemens Fuest ab.
Der Wirtschaftsprofessor und Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung gilt in München als Idealbesetzung für den Posten - doch in Sachen Prominenz hat er einiges aufzuholen.
- Der SCHEIDENDE CHEF: So manchem Politiker dürfte der Wachwechsel beim Ifo Institut durchaus gelegen kommen. Sinn hat sich als unbequemer Querdenker einen Namen gemacht, der gerne mit provokanten Thesen aufwartet. Dass der 67-Jährige nach dem Ende seiner Amtszeit von der Bildfläche verschwindet oder sich gar ganz zur Ruhe setzt, scheint schwer vorstellbar - auch wenn Sinn entsprechende Absichten bekundet haben soll. „Urlaub ist für ihn, dass er woanders arbeitet“, sagt einer, der ihn kennt.
Ob es um die Diskussion um die Target-Salden der Bundesbank, die Kosten für die Zuwanderung nach Deutschland oder Sinns Forderungen nach einem Euro-Austritt Griechenlands geht - der leidenschaftliche Ökonom mit dem markanten Kapitänsbart meldet sich häufig zu Wort und scheut keine Auseinandersetzung über aktuelle Themen. Die Öffentlichkeit lässt Sinn auch über zahlreiche Bücher an seinen Analysen teilhaben - zu den bekanntesten gehören „Ist Deutschland noch zu retten?“ (2003) und „Kasino-Kapitalismus. Wie es zur Finanzkrise kam und was jetzt zu tun ist“ (2009). Sein neuestes Werk mit dem Titel „Der Euro. Von der Friedensidee zum Zankapfel“ soll im September dieses Jahres erscheinen.
Die Leitung des Ifo Instituts hatte der in Brake bei Bielefeld geborene Sinn 1999 übernommen - und die Einrichtung seither in die Liga der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute geführt. Bekannt ist es vor allem für den monatlich veröffentlichten Ifo-Geschäftsklimaindex, der als wichtigster Frühindikator der deutschen Wirtschaft gilt.
- DER NACHFOLGER: Clemens Fuest war erst vor zwei Jahren von Oxford nach Baden-Württemberg gezogen, um sein Amt als ZEW-Präsident in Mannheim anzutreten. Nun darf er wieder Kisten packen und nach München wechseln. Mannheim war für den 46-Jährigen auch alte Heimat. An der Universität der Stadt hatte er von 1989 bis 1991 fünf Semester Volkswirtschaftslehre studiert. Doch auch München ist kein Neuland für den gebürtigen Münsteraner: An der Ludwig-Maximilians-Universität habilitierte Fuest 2001 zum Thema Steuerpolitik und Arbeitslosigkeit.
Fuest ist in den Medien zwar nicht so omnipräsent wie Sinn, doch auch er beherrscht klare Worte. Vor der Bundestagswahl 2009 sprach sich der 46-Jährige für eine höhere Mehrwertsteuer aus. Im aktuellen Griechenland-Streit warf er den Hellenen einen Mangel an Produktivität vor und bezeichnete es als „Unding, dass eine Regierung fordert, die Steuerzahler anderer Länder sollen ihre zweifelhaften Wahlversprechen bezahlen“. Erst vor kurzem warnte er davor, Griechenland weitere Kredite zu geben. Auch Sinn treibt die „griechische Tragödie“ um: Für kommenden Montag (15. Juni) hat er zu einer Pressekonferenz in Berlin eingeladen - Tenor der Veranstaltung: Griechenland sollte die Drachme wieder einführen - als Parallelwährung zum Euro.