Streit in der EU um Öko-Nischen auf dem Acker

Horsens (dpa) - Wer durch Mecklenburg-Vorpommern fährt oder durch die rheinische Tiefebene, der stellt fest: Die deutsche Landschaft ist mancherorts ziemlich übersichtlich. Getreidefelder werden nur hier und da von Hecken oder zugewucherten Feldrainen unterbrochen.

Gerade diese Aufgeräumtheit könnte nun zum Nachteil werden: Pläne von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche als sogenannte ökologische Vorrangflächen bereitzustellen, stießen beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister im dänischen Horsens auf Widerstand.

Denn in manchen europäischen Kulturlandschaften finden sich wenig unproduktive Nischen, die Bauern ohne Verluste Fuchs und Falter überlassen würden. In Deutschland sei dies eine Folge der Flurbereinigungen, sagte die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust kürzlich der ARD. Damals konnten die Bauern ihre oft verstreut gelegenen Parzellen zu zusammenhängenden Flächen zusammenfügen.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) wehrt sich gegen Ciolos' Pläne. Sie fürchtet, dass fruchtbares Land zur Brache wird. Das sei angesichts steigenden Lebensmittelbedarfs nicht zu rechtfertigen. „Können wir es uns auf Dauer leisten, immer bestimmte Flächen aus der Produktion zu nehmen?“, fragt Aigner rhetorisch.

Die von Ciolos geforderten sieben Prozent Fläche entsprechen nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums 600 000 bis 700 000 Hektar - mehr als das 1,5-Fache der Ackerfläche von Rheinland-Pfalz. Aigners österreichischer Amtskollege Nikolaus Berlakovich fürchtet ebenfalls Flächenstilllegungen.

Ciolos will solche Argumente nicht gelten lassen. „Zu sagen: In der Vergangeneheit haben wir alle Bäume abgeholzt und nun müssen wir eben akzeptieren, dass wir in diesen Gebieten keine Spielräume haben, diese Art von Argument finde ich schwer verständlich“, sagte er in Horsens. Verhandlungsbereit zeigt sich der EU-Landwirtschaftkommissar bei der Frage, was genau als ökologische Vorrangfläche angerechnet werden darf. Hier werde er den den EU-Staaten mit ihren ganz unterschiedlichen Landschaftsformen entgegenkommen.

Auch in Deutschland gebe es Flächen, für die Bauern derzeit keine Brüsseler Subventionen beantragen könnten, weil sie nicht als bewirtschaftbares Land gelten. Brüssel könnte solche Flächen anerkennen und die sieben Prozent damit leichter erreichbar machen. Die Produktion werde nicht darunter leiden: „Der mögliche Produktionsverlust .. kann mittelfristig wettgemacht werden durch den Produktionszuwachs, und zwar weil die Artenvielfalt und die Qualität der Böden durch diese Maßnahmen zunehmen.“

Die deutsche Europaabgeordnete Rodust stärkt Ciolos den Rücken. Die europäische Landwirtschaft müsse grüner werden, schließlich seien Boden, Luft und Wasser Allgemeingüter. „Und wenn wir das so für uns als Mehrheit akzeptieren, dann wird es keine Mehrheit in diesem Parlament geben, die der Meinung ist, die Agrarpolitik kann bleiben, wie sie ist.“