Streit über künftigen Mindestlohn spitzt sich zu
Berlin (dpa) - Arbeitgeber und CDU-Politiker machen Front gegen eine starke Erhöhung des Mindestlohns. Gewerkschaften, SPD und Linke pochen hingegen darauf, die Möglichkeiten für eine Erhöhung breit auszunutzen.
Damit spitzt sich drei Wochen vor der Ende Juni anstehenden Entscheidung in der Mindestlohnkommission der Streit um die künftige Höhe der Lohnuntergrenze zu.
Strittig ist, ob die jüngsten Tarifabschlüsse für die Metall- und Elektroindustrie sowie für den öffentlichen Dienst bei der Festlegung berücksichtigt werden sollen. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte am Donnerstag in Berlin: „Die Gewerkschaften erwarten, dass die Tarifverträge, die bereits abgeschlossen wurden und dieses Jahr zur Wirkung kommen, mit in die Berechnung kommen.“ Es könne nicht sein, dass die Erhöhung nur deswegen nicht besser ausfalle, weil die Auszahlung der Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst sich verzögere.
Bei der Entscheidung über die künftige Höhe hat sich die Kommission an der Entwicklung der Tariflöhne zu orientieren, die das Statistische Bundesamt im Tarifindex zusammenfasst. Der Index bis Juni enthält die Tariferhöhung für Metall und Elektro und den öffentlichen Dienst noch nicht. Arbeitgebervertreter Reinhard Göhner hatte betont, Spielraum für Verhandlungen gebe es nicht.
Der Chef des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), sagte der dpa, der Vorschlag der Gewerkschaften dürfe nicht umgesetzt werden. „Die Mindestlohnkommission tagt unabhängig von der Politik, aber an Recht und Gesetz müssen sich die Mitglieder ebenfalls halten.“
Die Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA, Ingrid Hartges, sagte der dpa: „Es gibt überhaupt keine Veranlassung, auch nur einen Cent über den Tarifindex hinauszugehen.“ Göhner, Körzell und weitere Spitzenvertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sitzen in der Kommission. Seit Anfang 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro.
Der Tarifindex lag im Mai bei plus 3,1 Prozent im Vergleich zu Dezember 2014. Im Juni dürften es plus 3,2 Prozent sein, sagte eine Sprecherin des Statistischen Bundesamts. Gemäß dieser Vorgabe dürfte der Mindestlohn künftig unter 8,80 Euro bleiben.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) forderte Maßhalten. „Der Bäckermeister, der schon heute mit dem Supermarkt als Konkurrenz zu kämpfen hat, kann einen erhöhten Mindestlohn nicht an den Kunden weiterreichen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Burkhard Siebert, Vize-Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, sagte dagegen: „Der gesetzliche Mindestlohn sollte ab 2017 deutlich über neun in Richtung zehn Euro steigen.“
Die SPD-Arbeitsmarktexpertin Katja Mast betonte: „Wir wollen eine Gesamtabwägung, wie sie im Gesetz steht.“ Sie erwarte eine angemessene Erhöhung, die den Wert der Arbeit steigere. Linke-Chef Bernd Riexinger warf den Arbeitgebern vor, den Beschäftigten „nicht die Butter auf dem Brot“ zu gönnen. „Statt Geiz-ist-Geil-Mentalität brauchen wir einen Mindestlohn, der wirklich vor Armut schützt.“ Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, sagte: „Der Mindestlohn muss deutlich ansteigen.“