Streit um Euro-Brandmauer
Kopenhagen (dpa) - Die Eurozone bekommt einen deutlich höheren Schutzwall gegen die seit zwei Jahren grassierende Schuldenkrise. Mit einer „Brandmauer“ von insgesamt 800 Milliarden Euro wollen die Euroländer eine weitere Eskalation verhindern.
Damit hat Deutschland den Streit um die Höhe des Schutzwalls gewonnen - der Verlierer ist Frankreich. Berlin hatte allerdings eine Lösung lange blockiert und erst unlängst nach starkem Druck internationaler Partner einer Aufstockung zugestimmt.
Die Euro-Finanzminister verständigten sich am Freitag in Kopenhagen auf die höhere Brandmauer. Der deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble hatte die neue Summe als erster bereits am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in der Universität der dänischen Hauptstadt verkündet. Nicht durchgesetzt hat sich sein französischer Kollege Francois Baroin, der eine Ausweitung der Euro-Rettungssysteme auf insgesamt eine Billion Euro verlangt hatte.
Die Eurozone verspricht sich davon ein Signal in Richtung der Finanzmärkte, die in der Vergangenheit von immer wieder neuen Problemfällen im Euroland in Aufruhr versetzt wurden. Die größte Sorge: Die Schuldenkrise könnte auf große Länder wie Spanien oder Italien übergreifen und die bisherigen Hilfsinstrumente überfordern.
„Die Märkte signalisieren bereits relative Ruhe“, sagte Österreichs Ressortchefin Maria Fekter. „Damit kann man erkennen, dass die Märkte mit dem umgehen können, was wir hier aufgestellt haben.“
Die Summe von 800 Milliarden Euro enthält 500 Milliarden Euro an „frischer Ausleihkapazität“, die über den neuen permanenten Rettungsschirm ESM für mögliche neue Krisenfälle in der Eurozone zur Verfügung gestellt werden können. Zusätzliche 100 Milliarden Euro an bereits ausgezahlten Mitteln entfallen auf bilaterale Hilfskredite an Griechenland und Hilfsgelder aus EU-Töpfen.
Mit weiteren rund 200 Milliarden Euro schlagen die bereits angeschobenen Hilfsprogramme für Griechenland, Irland und Portugal in der 800-Milliarden-Summe zu Buche. Das sind Mittel, die der bisherige Rettungsschirm EFSF schon verplant, aber noch nicht voll gezahlt hat.
Der ESM soll von Sommer 2012 an den EFSF ablösen. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass in den ESM auch Eigenkapital der Mitgliedstaaten eingezahlt werden muss. Der EFSF wickelt noch die bereits laufenden Hilfsprogramme für die drei Krisenländer bis Ende 2014 ab. Ursprünglich hatte Deutschland darauf bestanden, dass die bereits laufenden Hilfsprogramme von der ESM-Kapazität abgezogen werden.
Mit dem Kopenhagener Beschluss erfüllen die Euro-Finanzminister nicht die Erwartungen der Industriestaatenorganisation OECD, die wie die Franzosen ebenfalls eine rund eine Billion starke Schutzmauer verlangt hatte. Um diese Summe zu erreichen, hätten zusätzlich auch die bislang nicht ausgeschöpften Mittel des EFSF als befristete Notreserve einbezogen werden müssen.
Schäuble lehnte eine solche große Lösung jedoch ab. „Ich halte gar nichts davon“, sagte er in Kopenhagen. „Die Finanzmärkte wollen wissen, ob Europa in der Lage ist, Strukturen zu schaffen, die dauerhaft die Stabilität dieser Währung und Investitionen in diesen Raum sicherstellen, und da machen wir große Fortschritte.“ Die Debatte um die Größe der Brandmauer nannte er deswegen irreführend. „Da können sie zehn Billionen reintun - wenn Sie die Probleme nicht lösen, dann nützt das gar nichts.“
Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßten die Erhöhung des Euro-Schutzwalles. „Wir sind sehr zufrieden mit dieser dauerhaften Entscheidung“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. „Ich vertraue darauf, dass dies den Weg für die Mittelerhöhung des IWF ebnen wird.“
EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sagte, die EZB sei mit der Entscheidung zufrieden. „Aus unserer Sicht hat die Eurogruppe eine wichtige Entscheidung getroffen“, sagte Asmussen, fügte aber hinzu: „Der Schutzwall ist kein Ersatz für wirtschaftliche Reformen.“
Der IWF fand ebenfalls lobende Worte. Der Schritt sei gemeinsam mit der Umsetzung strengerer fiskalpolitischer Rahmen wichtig für ein Ende der Krise und für finanzielle Stabilität in Europa, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde laut Mitteilung. Die Kombination der Euro-Rettungssysteme und andere Anstrengungen „unterstützen die Bemühungen des IWF, seine verfügbaren Ressourcen zum Nutzen aller Mitglieder zu vergrößern.“
Die Euro-Finanzminister verständigten sich zudem darauf, den ESM zügiger mit Barkapital auszustatten als bislang geplant. Die ersten Zahlungen sollen in zwei Tranchen im Juli und im Oktober fließen. Zwei weitere Tranchen werden 2013 fällig, die letzte Teilzahlung dann bereits in der ersten Jahreshälfte 2014. Die restlichen drei Tranchen sollten nach den bisherigen Plänen bis 2015 eingezahlt werden. Mit der jetzt vereinbarten früheren Kapitalisierung wird die volle Schlagkraft des Fonds ebenfalls früher verfügbar.
Der ESM bekommt insgesamt Bareinlagen von 80 Milliarden Euro. Das soll vor allem Vertrauen an den Finanzmärkten schaffen. Denn der EFSF funktioniert nur auf der Basis von Garantien der Staaten.