Streit um Eurobonds eskaliert
Brüssel/Frankfurt (dpa) - Soll es Eurobonds geben oder nicht - über diese Frage streiten die Eurostaaten erbittert. Widerstand leisten Deutschland, Finnland und die Niederlande. Doch unbeirrt verfolgt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Idee weiter und legt es auf einen offenen Konflikt an.
Ebenso ungewöhnlich: Erstmals in der Schuldenkrise hat Deutschland bei einer Versteigerung von Staatsanleihen einen Warnschuss erhalten: Der Bund blieb am Mittwoch auf einem Drittel seiner Papiere sitzen.
Barroso stellte in Brüssel erste Pläne für die Eurobonds vor. Der Behördenchef kritisierte dabei in Richtung Berlin: „Ich denke nicht, dass es angebracht ist, (...) schon von Anfang an zu sagen, dass eine Debatte nicht geführt werden soll.“ Die Bedenken von - nicht genauer genannten - „Leuten in Deutschland“ drehten sich vor allem um die zeitliche Planung. „Ich bin sehr ermutigt, wenn es Vorbehalte wegen des Timings gibt. Das heißt, es gibt keinen prinzipiellen Widerstand.“
Im Bundestag griff dagegen Kanzlerin Angela Merkel ihrerseits die Kommission an. Es sei bedauerlich und unpassend, dass die EU-Behörde den Fokus jetzt auf derartige gemeinsame europäische Staatsanleihen als Mittel gegen die Schuldenkrise richte. Das vermittele, dass die strukturellen Mängeln der Währungsunion durch die Vergemeinschaftung von Schulden behoben werden könnten. „Genau das wird nicht klappen.“
Gegen Eurobonds sind auch Finnland und die Niederlande. Der Den Haager Finanzminister Jan Kees de Jager sagte: „Eurobonds sind nicht die magische Lösung für die derzeitige Krise und könnten sie sogar noch verschlimmern.“ Finnlands Finanzministerin Jutta Urpilainen sagte der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Eurobonds sind für die finnische Regierung vollkommen ausgeschlossen.“
Um Eurobonds zu ermöglichen, will die Kommission die Wirtschafts- und Haushaltsaufsicht in der EU verschärfen. Sie nennt in ihrem Vorschlagpapier drei Optionen für Eurobonds. In einer „großen Lösung“ würde alle nationalen Anleihen durch Gemeinschaftsanleihen ersetzt. Die Eurostaaten würden gemeinsam haften. Bei Option Nummer Zwei würde nur ein Teil der Schuldscheine gemeinschaftlich aufgelegt. Bei Variante Drei gäbe es für einen Teil der Schulden gemeinschaftliche Anleihen, aber mit anteiliger Haftung der Staaten. Nur bei der dritten Option ist keine aufwendige Änderung der EU-Verträge nötig.
Bisher agiert jedes Land an den Finanzmärkten allein. Länder wie Italien und Spanien kämpfen gegen steigende Risikoprämien für ihre langfristigen Schuldscheine. Drei Länder - Griechenland, Portugal und Irland - hängen bereits am Tropf internationaler Geldgeber.
An den Anleihemärkten wurde jetzt auch Deutschland in die Schranken verwiesen: Bei einer Auktion neuer Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren im Volumen von 6,0 Milliarden Euro fanden nur Anleihen im Wert von 3,89 Milliarden Euro einen neuen Besitzer. Händler sprachen von einem erschreckend schwachen Ergebnis.
Helaba-Analyst Ralf Umlauf bezeichnete die geringe Nachfrage als „sehr besorgniserregend“. In der Versteigerung sah er sogar „ein Misstrauensvotum gegen die gesamte Eurozone“. Es gab aber auch Analystenstimmen, die vor einer Überbewertung warnten. In der Vergangenheit habe es immer wieder Versteigerungen gegeben, bei denen die Finanzagentur nicht alle Anleihen absetzen konnte, sagte Michael Krautzberger vom US-Vermögensverwalter Blackrock.
Bei den Banken in Deutschland wächst derweil die Sorge, die noch junge europäische Bankenaufsicht EBA könnte einzelne Häuser mit willkürlich festgelegten Kriterien für Stresstests ohne Not in Probleme stürzen. Die teilverstaatlichte Commerzbank, die möglicherweise mehr frisches Kapital braucht als bislang angenommen, bekräftigte ihre Absicht, eine Lücke aus eigener Kraft zu schließen.
Die EBA soll ermitteln, wie viel Geld Banken brauchen, um bis Ende Juni 2012 eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu erreichen, wenn alle Staatsanleihen zu Marktpreisen bewertet werden. Kernkapital gilt als Puffer für Krisen. „Die immer wieder neuen Szenarien der EBA sind für internationale Anleger nicht Vertrauen stiftend. Wir brauchen aber dringend das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Währungsraumes“, mahnte Sparkassenpräsident Heinrich Haasis.
In Griechenland entschied sich nun der Konservative Antonis Samaras, die Ziele des Sparprogramms für Athen anzuerkennen. Seine Partei, die Nea Dimokratia (ND) arbeite konsequent für einen Erfolg der Maßnahmen, heißt es in einem Brief an EU und andere. Samaras hatte ein solches Bekenntnis zum Sparprogramm zuvor verweigert und damit eine neue Krise in Zusammenhang mit der Rettung Athens vor der Zahlungsunfähigkeit ausgelöst.
Der Brief Samaras kommt, nachdem die EU wiederholt gedroht hatte, die nächste Finanzhilfe in Höhe von acht Milliarden Euro nicht auszuzahlen, wenn sich nicht alle Entscheidungsträger schriftlich zum Sparprogramm bekennen. Außer Samaras hatten sich alle Spitzenpolitiker dazu bereiterklärt. Zunächst blieb unklar, ob die EU mit diesem Brief zufrieden ist. Sollten die acht Milliarden Euro bis zum 15. Dezember nicht kommen, ist Griechenland pleite.