Exportschlager „Superfood“ Chia: Auch afrikanische Bauern steigen um

Namayingo (dpa) - Elizabeth Natocho streift mit den Händen durch hüfthohe Pflanzen mit lilafarbenen Blüten. „Der Anbau von Chia-Samen ist unsere Haupteinnahmequelle“, erklärt die 41-jährige Uganderin.

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Damit sorge sie für ihren Mann und neun Kinder.

Vor einigen Jahren baute sie noch Mais an, was hauptsächlich der Selbstversorgung diente - wie etliche Ugander in der Region. Heute wachsen auf ihren 42 Hektar in Namayingo im Osten Ugandas Chia-Pflanzen, deren Samen unter anderem nach Deutschland, Irland und Dänemark exportiert werden.

„Chia ist ein riesiger Markt, der sich öffnet“, sagt Robert Okello. Er ist der Chef von Sage Uganda, die unter anderem Chia von Natocho kaufen und exportieren. Sage hat vor fünf Jahren nach eigenen Angaben als erstes mit dem Anbau von Chia in Uganda begonnen. „Anfänglich war es sehr mühsam“, sagt er. Die Mitarbeiter von Sage mussten demnach die Anbautechniken selber erlernen, die Erde in verschiedenen Teilen Ugandas testen und Kleinbauern überzeugen, von traditionellem Getreide wie Mais auf Chia umzusteigen.

Die Bedingungen für Chia sind Experten zufolge in Uganda hervorragend. Grundsätzlich könnten die Landwirte in Afrika zwischen dem Äquator und dem 25. Breitengrad Chia problemlos anbauen, sagt die Agrarwissenschaftlerin Simone Graeff-Hönninger von der Universität Hohenheim - also von Ägypten bis nach Südafrika. Die Pflanze braucht demnach warme Temperaturen und weniger als zwölf Stunden Tageslicht.

Ursprünglich stammt die Pflanze aus Süd- und Zentralamerika. In Mexiko wird sie bereits seit Jahrhunderten angebaut. Die Legende besagt, dass ein einziger Löffel Chia einem Azteken-Krieger genug Kraft für einen ganzen Tag verlieh. Die Samen sind reich an Proteinen und ungesättigter Fettsäuren. Das „Superfood“ wurde vor allem in den USA und Europa vor einigen Jahren zum großen Trend. Inzwischen haben etliche Discounter Chia-Eigenmarken im Regal.

Bauern etwa in Uganda, Ruanda, dem Kongo und Kenia haben dies als Chance erkannt. „Der Preis, den ich für Chia-Samen bekomme, ist viel besser als der für Mais“, sagt Natocho. Zudem ist Okello zufolge die Pflanze resistenter gegen Unkraut, benötigt keine Düngemittel und kommt mit viel weniger Wasser aus - ideal für Länder wie Uganda, die immer wieder Dürreperioden erleben. Sage Uganda arbeitet inzwischen nach eigenen Angaben mit rund 8900 Kleinbauern zusammen und erwartet in diesem Jahr einen Export von 500 Tonnen Chia.

Noch können afrikanische Länder mit den Produzenten in Südamerika nicht ganz mithalten. Der deutsche Zoll verzeichnete im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 510 Chia-Importe aus Südamerika. Aus afrikanischen Ländern kamen demnach 212 Importe. Diese wachsen aber stetig: Während der Zoll 2014 noch keine Chia-Importe aus Uganda verzeichnete, waren es zwei Jahre später bereits 66.

Denn immer mehr deutsche Chia-Händler blicken nach Afrika. „Die Angebote aus Afrika sind etwa 10 bis 20 Prozent günstiger als aus Südamerika“, sagt Gertrud Krause-Traudes von dem dänischen Hersteller Original Chia, der auch eine deutsche Niederlassung hat. Zudem hätten die traditionellen Chia-Exportländer in Südamerika den Bedarf zuletzt nicht decken können. Graeff-Hönninger zufolge haben afrikanischen Bauern auch den Vorteil, wegen der zwei Regensaisons zwei Mal im Jahr ernten zu können und zeitlich versetzt Chia zu liefern. Manche afrikanischen Produzenten müssten noch die Reinheit der Chia-Samen verbessern, sagt Krause-Traudes. Aber: „Es gibt für die Bauern reichlich Chancen.“

Denn Experten meinen, dass sich das Interesse an Chia halten wird. „Die Möglichkeiten, die man mit Chia hat, sind vielfältig“, sagt Graeff-Hönninger. Öl, Säfte, Joghurts, Fleischersatz. Zwar seien inzwischen viele Handelsmarken mit niedrigen Preisen in den Markt eingestiegen, was den Wettbewerb verschärfe, meint das Marktforschungsinstitut IRI. Der Umsatz mit Chia steige aber weiter: Zuletzt um 15 Prozent auf 23,6 Millionen Euro im vergangenen Jahr (Juni 2016 bis Juni 2017), so das Marktforschungsinstitut Nielsen.

Experten warnen allerdings vor den Risiken des Chia-Booms. In Mexiko kam es zwischenzeitlich zu einer Überproduktion, die die Preise drückte. Und demnächst droht den afrikanischen Bauern aus Deutschland Konkurrenz. Denn die Universität Hohenheim in Stuttgart forscht seit einigen Jahren nach Chia-Sorten, die hierzulande angebaut werden können. Dafür seien verschiedene Typen von Chia getestet und gezüchtet worden, sagt Graeff-Hönninger. „Wenn in diesem Jahr der Anbau gut läuft, dann hoffen wir, dass spätestens 2019 eine entsprechende Menge an Saatgut zur Verfügung steht.“