Arbeiten in der Pandemie Unternehmen stehen wegen Homeoffice unter Druck

Frankfurt/Main · Tut die Wirtschaft genug, um Arbeiten von Zuhause zu ermöglichen? Die Forderungen nach strengeren Regeln für Unternehmen werden lauter - auch weil für Schulen, Kitas, Gastronomie und Familientreffen längst scharfe Vorgaben gelten.

Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, weil noch zu wenige Homeoffice möglich machen.

Foto: dpa/Lisa Ducret

In der Debatte um mehr Homeoffice im Kampf gegen die Corona-Pandemie steigt der Druck auf die Wirtschaft. Sowohl Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) als auch CSU-Chef Markus Söder kündigten Gespräche mit Unternehmen an, um mehr Möglichkeiten für Beschäftigte zu erreichen, von zu Hause zu arbeiten. Forderungen nach einer Homeoffice-Pflicht weist die Wirtschaft jedoch zurück.

Heil forderte am Montag Unternehmen dringend auf, Beschäftigten in der Corona-Krise Homeoffice zu gewähren. „Willkürlich Homeoffice zu verweigern, wäre jetzt unverantwortlich“, sagte er dem Sender „NDR Info“. Er werde seinen Appell an Unternehmen, das Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen, am Dienstag in einer Konferenz mit den Personalvorständen großer Firmen bekräftigen.

Dort, wo kein Homeoffice möglich sei, müssten Hygiene-Auflagen strikt eingehalten werden, sagte Heil. Sonst könne er einen Stillstand auch in der Produktion nicht ausschließen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Katja Mast, bekräftigte: „Jetzt ist nicht die Zeit, über eine physische Rückkehr ins Büro nachzudenken. Wo Homeoffice möglich ist, ist das jetzt angesagt.“

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verlangte von Unternehmen mehr Homeoffice-Möglichkeiten für Beschäftigte. Er brachte bei Arbeitgebern im Freistaat auch konkrete Zielvorgaben ins Spiel. Voraussichtlich am Mittwoch wolle er bei einem Homeoffice-Gipfel mit Wirtschaft und Gewerkschaften darüber sprechen.

Zunächst einmal müsse man überlegen, wie die Potenziale für Homeoffice, die es gebe, besser ausgeschöpft werden könnten - bislang sei das noch nicht ausreichend der Fall. „Das muss fundamental verbessert werden“, verlangte Söder. Wenn das nicht funktioniere, müsse man vielleicht über „andere Maßnahmen“ nachdenken.

Im verlängerten Lockdown hat die Debatte um die Verantwortung der Wirtschaft im Kampf gegen das Coronavirus Fahrt aufgenommen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte, die Wirtschaft bei der Bekämpfung der Pandemie stärker in den Fokus zu nehmen. Bund und Länder hätten bei Einzelhandel, Kultur und Schulen zwar harte Maßnahmen ergriffen. Für große Bereiche der Wirtschaft gebe es aber kaum verpflichtende Regeln.

In den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen hieß es, Arbeitgeber seien „dringend gebeten, Homeoffice-Möglichkeiten“ zu schaffen. Eine Vorschrift gibt es nicht. Ein Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil sieht zwar vor, dass Arbeitnehmer das Recht bekommen sollen, einen Wunsch nach regelmäßigem mobilen Arbeiten mit ihrem Arbeitgeber zu erörtern. Ein ursprünglich angedachtes Recht auf Homeoffice ist allerdings nicht mehr geplant - die Union ist dagegen.

Gewerkschaften bringen nun den Rechtsanspruch aufs Homeoffice wieder ins Spiel. „Wir fordern einen Rechtsanspruch auf Homeoffice - jedenfalls da, wo es machbar ist“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). „Es kann nicht sein, dass die Arbeitgeber allein darüber entscheiden“, fügte er hinzu. Ebenso müsse sichergestellt werden, „dass niemand ins Home Office gezwungen werden kann“, meint der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Gegen zunehmende Homeoffice-Forderungen wehrt sich die Wirtschaft. Nach Einschätzung von Oliver Stettes vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wäre verpflichtendes Homeoffice „ein gravierender Eingriff in die betriebliche Disposition, für den die Grundlage fehlt“. Zudem sei es nicht überall möglich oder gar sinnvoll, dauerhaft von zu Hause aus zu arbeiten. So müsse teilweise auf das Homeoffice verzichtet werden, weil zum Beispiel die IT nicht ausreichend sei, Datensicherheit nicht gewährleistet werden könne oder die Arbeitsorganisation Anwesenheit erforderten.

Der Maschinenbauverband VDMA lehnt einen Zwang zur Arbeit im Homeoffice ab. „Auch in Corona-Zeiten müssen unsere Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und die Produktion aufrechterhalten“, argumentierte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Die Maschinenbauer sorgten dafür, Beschäftigten mobiles Arbeiten zu ermöglichen, deren Arbeitsplätze nicht direkt an die Produktion gebunden seien. Ein gesetzlicher Homeoffice-Zwang mit Bußgeldern wäre aus seiner Sicht „absurd“.

In vielen Bereichen ist Homeoffice gar nicht möglich, etwa im Lebensmitteleinzelhandel, in der Pflege und in Fabriken. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, beziffert den Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, auf 60 Prozent.

(dpa)