Versorgung mit Super-Plus-Benzin in Gefahr
Berlin/Bonn (dpa) - Wer den neuen Bio-Sprit E10 nicht tanken will oder darf, muss mit weiter steigenden Kosten an der Zapfsäule rechnen. Bei Super-Plus-Benzin drohen aus Sicht der Tankstellen-Verbände massive Lieferengpässe und ein weiterer Preissprung.
An vielen der bundesweit knapp 15 000 Tankstellen gibt es bereits erste Versorgungsprobleme, und stellenweise sind die Tanks für Super Plus sogar schon leer, wie die großen Tankstellen-Verbände am Dienstag in einer dpa-Umfrage berichteten. Die Ursache: Der neue Bio-Kraftstoff E10 ist ein Ladenhüter, was die Nachfrage für herkömmliches Super-Plus-Benzin in die Höhe treibt.
Der Grund für den Wirbel an der Zapfsäule liegt an neuen Vorgaben: Früher gab es Super-Benzin mit 95 Oktan und das etwas teurere Super Plus mit 98 Oktan. Fast alle Autofahrer mit Benziner tankten das Super-95. Doch dieser Sprit wird nun schrittweise vom Super-Bio E10 ersetzt, in dem bis zu zehn Prozent Bioethanol enthalten sind. Die Mischung soll helfen, den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) zu verringern. Als Alternative für den neuen Bio-Kraftstoff bleibt bald nur noch das teure Super Plus - Super-95 fällt ganz weg.
Das Problem: Eigentlich vertragen 90 Prozent der Benzinautos das neue E10 - doch die meisten Fahrer tanken es nicht. 60 bis 70 Prozent greifen nach Branchenangaben auf das seit Jahren bekannte Super Plus zurück. Einige Fahrer wissen womöglich noch nicht, ob ihre Wagen E10 vertragen, andere meiden den Bio-Sprit vermutlich bewusst.
Als Folge fließt das E10, anders als von der Politik gewünscht, einfach nicht genügend. Gleichzeitig zieht die Nachfrage nach der Alternative Super Plus stark an - zu stark womöglich. „Es wird eng“, sagte der Geschäftsführer im Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG), Jürgen Ziegner. Seine Bonner Organisation vertritt nach eigenen Angaben etwa ein Drittel aller deutschen Tankstellen.
Wie viele der ZTG-Mitglieder mit Engpässen oder leeren Super-Plus-Tanks kämpfen und ob es regionale Schwerpunkte gibt, kann Ziegner zwar noch nicht sagen. Ein großes Problem sei es aber ohne Frage. Ziegners Branchen-Kollege Jochen Wilhelm vom Tankstellenverband Deutschland bestätigt: „Teilweise ist die Zapfsäule schon leer. Das ist für den Verbraucher ein Unding.“ Und womöglich würden Stammkunden verprellt.
Auch die Mineralölkonzerne haben ein großes Interesse daran, dass bald mehr E10 in die Tanks fließt: Ihre Lager sind voll davon, und das E10 lässt sich nicht beliebig lange lagern. Exportiert werden kann der Sprit auch nicht, weil der alternative Absatzmarkt fehlt.
Sigrid Pook vom Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche (BTG) sagte, dass sie zwar noch nicht von massiven Klagen von Tankstellenbetreibern gehört habe. „Aber die Einführung von E10 ist ja auch noch nicht flächendeckend.“ Wie viele Tankstellen noch nicht umgestellt haben, ist ungewiss. Laut Mineralölwirtschaftsverband (MWV), der die Kraftstofflieferanten in Deutschland organisiert, ist die Umstellung im Osten und Süden angelaufen, im Westen und Norden fehle das E10 hingegen meist noch. Genauere Angaben gebe es nicht.
ZTG-Chef Ziegner sieht nur einen Ausweg aus der Misere: Entweder stellten die Autofahrer ihr Tankverhalten um und griffen wie vorgesehen zum neuen E10 - oder die Tankstellen müssten bald die Alternative, das herkömmliche Benzin, teuer aus dem Ausland zukaufen. Denn für die deutschen Lieferanten gilt: Aus technischen Gründen kann eine Raffinerie maximal 15 bis 20 Prozent 98-Oktan-Benzin herstellen.
Nach am Dienstag veröffentlichten Berechnungen des Automobil-Clubs ADAC kostete der Liter Super-95 im Februar durchschnittlich gut 1,48 Euro pro Liter. Spitzentag war der 25. Februar mit im Schnitt knapp 1,57 Euro. Für das künftig an den Zapfsäulen verbleibende und teurere Super Plus gebe es keine exakten Zahlen.
Die Grenze von 1,60 Euro pro Liter könnte noch eine wichtige Rolle spielen: Jenseits dieses Betrages würden zwei von drei Deutschen weniger Auto fahren, wie eine repräsentative Umfrage der Beraterfirma Faktenkontor und des Marktforschers Toluna Ende Februar ergab.
Den Preis treiben derzeit auch die große Öl-Nachfrage und die Unsicherheit im arabischen Raum: Die EU-Konjunkturexperten erwarten für 2011 im Schnitt nun einen Barrel-Preis von 101,6 US-Dollar, wie es in ihrem am Dienstag veröffentlichten Konjunkturausblick heißt - ein gutes Zehntel mehr als noch im Herbst.