Viele Unternehmen in NRW finden keine Lehrlinge

Die Industrie- und Handelskammer warnt vor Fachkräftemangel. Manche Firmen buhlen mit Bonuszahlungen oder Abos für einen Fitnessclub um Bewerber.

Vor allem in der Metall- und Elektrobranche kann der Bedarf an Ausbildungsplätzen in Wuppertal kaum gedeckt werden.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Düsseldorf. Unternehmen in Nordrhein-Westfalen fällt es zunehmend schwer, freie Ausbildungsplätze zu besetzen. So bezifferte die Regionaldirektion der Bundesarbeitsagentur die Zahl der unbesetzten Lehrstellen im Juni auf 40 421. „Mit Stand heute ist abzusehen, dass in diesem Ausbildungsjahr erneut viele Stellen unbesetzt bleiben“, befürchtet Sophia Tiemann von der Industrie- und Handelskammer (IHK) NRW. Gerade in Städten wie Düsseldorf, Köln und Münster gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur deutlich mehr Lehrstellen als Bewerber.

Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Matthias Wulfert von der IHK Niederrhein. „Für Unternehmen hat sich der gesamte Bereich der Ausbildung von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt entwickelt“, erläutert Wulfert. „Das ist zum einen dem demografischen Wandel geschuldet, da es generell weniger Schulabgänger gibt. Zum anderen haben die Jugendlichen heute vielfältige, attraktive Wahlmöglichkeiten und entscheiden sich gerade nach dem Abitur oft eher für ein Studium.“

So blieben bislang 28 Prozent der Stellen im IHK-Bezirk Niederrhein unbesetzt. Unternehmen lassen sich derweil einiges einfallen, um potenzielle Auszubildende zu gewinnen und locken mit Bonuszahlungen, einer Mitgliedschaft im Fitnessclub und anderen Annehmlichkeiten. Stammtischvorwürfe der Unternehmen, dass die Jugendlichen heute weniger gebildet und engagiert seien, will Wulfert allerdings nicht teilen. „Das kann man nicht verallgemeinern, denn auf dem Ausbildungsmarkt spielen viele Faktoren eine Rolle: In anderen Städten sieht die Situation ganz anders aus.“

Beispielsweise in Wuppertal: Aktuell kommen dort auf 881 Bewerber für einen Ausbildungsplatz nur 728 vakante Stellen. Vor allem in der Metall- und Elektrobranche könne der Bedarf an Ausbildungsplätzen in Wuppertal kaum gedeckt werden, berichtet Martin Klebe, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Solingen- Wuppertal, und nimmt auch die Unternehmen in die Pflicht: „Auch die Arbeitgeber müssen mit uns an einem Strang ziehen“, hält er fest. Der oft beklagte Praxisschock, bedingt durch zu wenigs praktische Erfahrungen der Berufseinsteiger während der Schulzeit, sei ein Mythos: „Da gibt es durch Praktika genügend Erprobungsmöglichkeiten für die jungen Leute.“

Allerdings ist die heiße Phase der Bewerbungen auch noch nicht vorbei. Eine Vielzahl von Verträgen wird noch bis Mitte Oktober geschlossen, wobei 20 Prozent der Jugendlichen in NRW ihre Stelle gar nicht erst anträten, beklagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. „Die Zahl der zurückgegebenen Plätze nimmt von Jahr zu Jahr zu.“ Das Problem des Azubi- Mangels setzt sich bundesweit fort: Fast jeder dritte Betrieb hat laut einer DIHK-Umfrage Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen. Präsident Eric Schweitzer zeigt sich alarmiert: „Wenn nicht mehr genug Nachwuchs aus der dualen Bildung kommt, ist es bis zu einem echten Fachkräftemangel nicht mehr weit.“