VW-Chef schwört Aktionäre auf harte Monate ein

Hannover (dpa) - Europas größter Autobauer Volkswagen rutscht immer stärker in den Strudel der Absatzkrise auf dem Heimatkontinent. „Die nächsten Monate werden alles andere als leicht“, sagte VW-Chef Martin Winterkorn am Donnerstag bei der Hauptversammlung in Hannover vor den Aktionären.

Die Flaute auf dem heimischen Markt könnte schon bald auch Auswirkungen auf die Beschäftigten haben. Das Unternehmen brauche in den kommenden Monaten „viel Flexibilität in der Produktion und auf den weltweiten Märkten“, sagte Winterkorn und nutzte damit - anders als bisher im Jahr - erstes Krisenvokabular.

Zwar war der weltweite Absatz der Wolfsburger in den ersten drei Monaten dieses Jahres noch um knapp fünf Prozent gestiegen. In Europa musste aber auch VW kräftig Federn lassen, und das erste Quartal lief auf der Ergebnisseite deutlich schlechter als ein Jahr zuvor. Andere Hersteller leiden schon massiv unter teuren Überkapazitäten in Europa - Ford, Opel oder Peugeot-Citroën planen sogar bereits, einzelne Werke dichtzumachen.

Davon ist VW weit entfernt, doch erste Dämpfer sind auch dort sichtbar. So hatte VW zuletzt in seinem Werk in Emden erneut die Passat-Produktion zurückgefahren. Nachdem die Beschäftigten im Dezember bereits eine Woche mehr Weihnachtsurlaub bekommen hatten, wurde auch die Osterpause verlängert. In den USA müssen 500 Leiharbeiter aus der Passat-Produktion im Werk in Chattanooga (Tennessee) gehen. Womöglich könnte sich VW bald auch hierzulande bemühen, dem Leerlauf zu begegnen - etwa indem Arbeitszeitkonten geleert werden.

Winterkorn sagte zum Ausblick: „Insbesondere Europa bleibt ein Wackelkandidat.“ Seit eineinhalb Jahren sind die Neuzulassungen in
der EU angesichts der Schuldenkrise auf Talfahrt, 2012 war das schwächste Jahr seit 20 Jahren.

Und die Flaute in Europa dürfte den Wolfsburgern auch künftig auf
die Profite drücken. „Der Wettbewerbsdruck ist unverändert hoch und
steigt weiter“, sagte Winterkorn. Auf dem europäischen Automarkt herrscht derzeit eine Rabattschlacht.

Weiteres Wachstum bei den Neuzulassungen in China ist für Winterkorn indes auf Jahre eine ausgemachte Sache. „Der Gesamtmarkt wird sicher bis 2020 auf über 20 Millionen wachsen.“ VW wolle dabei seine Position als chinesischer Marktführer verteidigen. „Wir wollen einen Marktanteil von 20 Prozent - mindestens.“

2012 hatte VW in seinem größten Einzelmarkt China 2,8 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ausgeliefert. Das war ein Fünftel Markteinteil (20,8 Prozent). Das asiatische Riesenreich stand 2012 nach VW-Rechnung für rund 13,5 Millionen neu zugelassene Autos. Laut Winterkorn müsste VW im Jahr 2020 mindestens 4 Millionen Fahrzeuge in China absetzen. Dort stampft VW sieben seiner derzeit zehn weltweit geplanten Werke aus dem Boden und will laut früheren Angaben bereits 2018 Fabrikkapazitäten von mehr als vier Millionen Fahrzeugen haben.

Bedenken vor zu großer Abhängigkeit wies Winterkorn zurück. Chinas zentralistisches politisches System, die großen Umweltprobleme und das soziale Gefälle in der Gesellschaft sorgen immer wieder auch für Kritik am Riesenreich. Winterkorn meinte: „Risiken haben Sie immer, wenn Sie in neue Märkte gehen. Aber die Chancen sind viel größer. Und deswegen investieren wir weiterhin in den chinesischen Markt.“

Die jüngsten Qualitätsprobleme in China gehörten zum Risiko dazu. „Das ist normales Geschäft. Wenn man im Jahr 2,8 Millionen Fahrzeuge verkauft, dann kann immer was passieren“, sagte Winterkorn. Der Konzern hatte vor kurzem in seiner bisher größten Rückrufaktion in China 384 000 Autos wegen Problemen mit dem Direktschaltgetriebe in die Werkstatt geholt. Der Ärger mit der Schaltung kommt VW teuer zu stehen. In den Eckzahlen zum Auftaktquartal 2013 wurde der Einbruch beim operativen Ergebnis auch mit „Vorsorgen in den Bereichen Pkw“ begründet. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Kosten des Rückrufs in China, den VW eine freiwillige Maßnahme nennt.

Trotz des Kostendrucks bekräftigte Winterkorn, die alternativen Antriebe im Konzern weiter voranzutreiben. „Die Elektromobilität ist nicht tot - sie wird vielleicht erst jetzt richtig geboren.“ Das Ziel, dass die Konzernflotte bis 2020 im Schnitt pro Fahrzeug nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, sei aber äußerst herausfordernd. „Diese Aufgabe geht an die Grenzen des technisch Machbaren“, sagte Winterkorn.

Nachdem der Konzern mit der Vorlage erster Quartalseckdaten vom Mittwoch und der bestätigten Jahresprognose Kursgewinne eingefahren hatte, gab es an der Börse am Donnerstag keine Überraschungen. Die Vorzugspapiere notierten fest in einem leicht positivem Dax-Umfeld.