Rede vor Führungskräften VW-Konzernchef Diess: Auto der Zukunft ist „wertvollstes massentaugliche Internet-Gerät“
Düsseldorf · Der VW-Konzernchef Herbert Diess beklagt in seiner Rede den fehlenden Mut zu radikalem Umsteuern, um der Digitalisierung gerecht zu werden.
Mit einem flammenden Appell hat VW-Chef Herbert Diess am Donnerstag die Führungskräfte auf die Volkswagen-Wandlung vom Automobilkonzern zum digitalen Tech-Konzern eingeschworen. Wenn das Unternehmen kein Industriedenkmal werden solle, müssten die Denkmäler des Alltags beseite geräumt werden. „Wir brauchen die gemeinsame Einsicht in die Radikalität des Wandels. In die Größe unserer Aufgabe. Und in die Kürze der Zeit. Sie gibt uns genau einen einzigen Versuch, Volkswagen für die Zukunft zu sichern.“
„Der Sturm geht jetzt erst los“, sagte der 61-jährige Manager, der seit April 2018 Vorstandsvorsitzender bei VW ist. Der Sturm, das sind für Diess die Transformationsprozesse, die durch den Klimawandel und die Digitalisierung erforderlich sind. Zwar sieht er bei VW „gute Entwicklungen“, aber verweist zugleich darauf, dass der Aktienkurs von Tesla weitaus dynamischer verlaufe als die Kurssteigerung von VW. „Wir werden wie ein Automobilunternehmen bewertet, Tesla wie ein Tech-Unternehmen.“
Der Manager sieht das Auto der Zukunft als das „komplexeste, wertvollste massentaugliche Internet-Device“ (Gerät, Red.). „Wir verbringen im Automobil der Zukunft mehr Zeit als heute, vielleicht zwei Stunden statt einer. Im Auto werden wir kontinuierlich online sein, weit mehr Daten abliefern als Smartphones, aber auch mehr Informationen, Dienste, Sicherheit und Komfort aus dem Netz bekommen.“
Der Untergang von Nokia gilt Diess als mahnendes Beispiel
Um dieses Ziel des Autos als des wichtigsten Mobilgeräts zu erreichen, fehlt es VW aus Sicht seines Chefs derzeit an Schnelligkeit und Mut zu radikalem Umsteuern. „Wenn wir in unserem jetzigen Tempo weitermachen, wird es sogar sehr eng.“ Diess erinnerte dabei an die Geschichte des Mobiltelefon-Herstellers Nokia. Als dieser noch Rekordjahre verzeichnet habe, sei er „praktisch schon tot“ gewesen, weil man die Konkurrenz durch Apple und das I-Phone sowie die Bedeutung des Internetzugangs im Verhältnis zum reinen Telefonieren völlig unterschätzt habe.
Diess sieht die Automobilindustrie derzeit in exakt derselben Situation: „Das Auto ist nicht länger nur Transportmittel. Und das bedeutet auch: Die Zeit klassischer Automobilhersteller ist vorbei.“ Für den Wandel benötige der Konzern ein zusätzliches Aufholprogramm. Drei Punkte seien entscheidend: die Einhaltung der neuen CO2-Grenzwerte, die Umsetzung der E-Strategie, ohne dabei Profitabilität zu verlieren, und der Erfolg der neu gegründeten IT-Sparte „Car.Software.org“. „Der Erfolg der Car.Software.org entscheidet über unsere Zukunft.“
Der VW-Chef kündigte zugleich Maßnahmen zur Kostensenkung an. So werde sich VW voll auf den Durchbruch der Elektromobilität konzentrieren und die Entwicklung der Brennstoffzelle und synthetischer Kraftstoffe auf ein Grundlevel zurückfahren. Gleiches gilt auch für die Ende 2016 gestartete Konzerntochter Moia, die On-Demand-Mobilitätsangebote für Großstädte entwickeln sollte. Diess: „Wir wollen unseren Fuß in dem Geschäft behalten. Wir müssen unser Engagement aber zeitlich strecken, bis die Voraussetzungen für die Profitabilität besser sind.“