Kartell-Vorwürfe aus den USA VW will insgesamt vier Millionen Diesel-Autos nachrüsten
Wolfsburg (dpa) - Volkswagen will im Kampf gegen drohende Fahrverbote mehr Diesel-Autos per Software-Update umrüsten als vorgesehen. Der Konzern werde anbieten, insgesamt vier Millionen Fahrzeuge nachzubessern und damit deren Emissionen deutlich zu senken.
Das sagte Vorstandschef Matthias Müller nach einem Gespräch mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Dennoch hält die Ministerin kurz vor dem Diesel-Gipfel am kommenden Mittwoch Fahrverbote in einigen Städten wegen zu hoher Stickoxid-Werte weiter für möglich.
Die Kartellvorwürfe könnten nun auch rechtlichen Ärger in den USA nach sich ziehen. Gleichzeitig gab VW bekannt, den Gewinn im ersten Halbjahr deutlich gesteigert zu haben.
Volkswagen muss wegen des Skandals um manipulierte Dieselmotoren ohnehin über 2,5 Millionen Autos umrüsten - diese sind in den vier Millionen Fahrzeugen enthalten. Bislang ist bei knapp 1,9 Millionen Autos das Update aufgespielt. Die Tochter Audi will angesichts der Diskussion um Diesel-Fahrverbote europaweit bis zu 850 000 Fahrzeuge nachrüsten lassen, in Deutschland sind es rund eine halbe Million Autos, die ebenfalls zu den genannten vier Millionen zählen.
Dazu kommen weitere etwa 900 000 Autos, die sich aus VW-Transportern T5 und T6 überwiegend mit Euro-5-Abgasnorm sowie mehreren Modellen etwa von Seat oder Skoda zusammensetzen. Daimler will drei Millionen Autos nachrüsten.
Hendricks äußerte sich ungewöhnlich scharf zur Autobranche sowie zur Beziehung zwischen Politik und Herstellern: „Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit zu häufig an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen.“ Die jüngsten Vorwürfe über Kartellabsprachen von Konzernen hätten weiteres Vertrauen zerstört.
Am Vorabend hatte der VW-Vorstand den Aufsichtsrat über den Stand in Sachen Kartellvorwürfe informiert - VW ist sich aber keiner illegalen Absprachen bewusst. Allerdings hält das Unternehmen den Austausch zu technischen Fragen für „weltweit üblich“. Die EU-Kommission prüft derzeit Informationen, wonach sich VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche in verschiedenen Fragen mutmaßlich abgesprochen haben sollen.
Die Kartellvorwürfe sorgen nun auch in den USA für Zündstoff. Drei Kunden beschuldigten Volkswagen, Daimler und BMW, mit illegalen Absprachen zu Preisen und Abgastechnik gegen US-Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben. Die entsprechende Klage, hinter der die Kanzlei Robins Kaplan steht, wurde am Dienstag bei einem Gericht im Bundesstaat New Jersey eingereicht. Am Donnerstag hatte zunächst die „Bild“-Zeitung darüber berichtet. Die US-Anwälte berufen sich im Wesentlichen auf Informationen aus deutschen Presseberichten.
Müller betonte, VW wolle einen Beitrag zum Erfolg des „Diesel-Gipfels“ am 2. August leisten. Zur Wahrheit gehöre, „dass wir auch in Zukunft saubere und effiziente Verbrennungsmotoren brauchen in einer Übergangsphase hin zur Elektromobilität.“ Zugleich warnte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor einer unseriösen Debatte über ein Ende von Fahrzeugantrieben mit Diesel und Benzin. Er halte es „nicht für sehr zielführend, heute davon zu sprechen, dass man den Verbrennungsmotor beerdigen könnte.“
Trotz aller Widrigkeiten rund um Abgasskandal und Kartellverdacht verdoppelte VW den Gewinn im ersten Halbjahr fast. Unter dem Strich verdiente der Konzern knapp 6,6 Milliarden Euro - nach rund 3,6 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Angesichts guter Verkaufszahlen peilt der Autobauer im Gesamtjahr nun mehr Umsatz als geplant an: Die Konzernerlöse dürften 2017 um mehr als 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Vorher war VW von bis zu 4 Prozent ausgegangen.
Im zweiten Quartal steigerten die Wolfsburger den Umsatz im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum um 4,7 Prozent auf 59,7 Milliarden Euro. Unterm Strich verdiente VW in dem Zeitraum rund 3,2 Milliarden Euro - fast dreimal so viel wie vor Jahresfrist. Vor einem Jahr hatte die Bewältigung der Dieselaffäre mit Milliarden zu Buche geschlagen.
Bei der Ergebnisprognose für 2017 blieb Finanzchef Frank Witter vorsichtig. Vom Umsatz sollten vor Zinsen und Steuern 6 bis 7 Prozent als operativer Gewinn hängen bleiben. Nach dem ersten Halbjahr steht der Wert bei 7,7 Prozent. „Das Ergebnis wurde durch ein Verkaufsplus beflügelt“, sagte er. „Ich bin überzeugt: Wir sind für den Wandel der Automobilbranche und für die Zukunftsthemen finanziell gerüstet.“