Warum HRE nicht untergehen darf

Eine Pleite des Immobilien- und Staatsfinanzierers wäre fatal für das Pfandbriefgeschäft in Deutschland.

München. Die Hypo Real Estate (HRE) entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden - fast täglich gibt es neue Katastrophenmeldungen aus München. 102 Milliarden Euro hat der Staat bereits in die Stützung der Bank gesteckt. Und das könnte erst der Anfang sein. Dennoch gibt es keine Alternative. Der Staat muss die Bank retten, um noch größeren Schaden abzuwenden.

Die Hypo Real Estate ist keine normale Bank. Der Immobilien- und Staatsfinanzierer finanziert sich nicht über Kundeneinlagen, sondern vorwiegend über den Kapitalmarkt. Das Stammgeschäft wird über die Ausgabe von Anleihen betrieben. Die HRE ist der weltweit zweitgrößte Herausgeber von Pfandbriefen.

Zum einen hat sich das Institut mit faulen US-Papieren verzockt. Zum anderen bereitet die Art und Weise der Refinanzierung der Bank in der aktuellen Krise Probleme. Die irische Tochter Depfa - eine Pfandbriefbank, die sich auf die Finanzierung der öffentlichen Hand spezialisiert hat - hat langfristige Kredite kurzfristig gegenfinanziert. Eine Risikostrategie, von der jeder Hausbesitzer weiß, dass sie in der Pleite enden kann.

Allerdings hat Depfa hohe Zinsen kassiert, aber selbst nur niedrige Zinsen gezahlt - und damit erst einmal gut verdient. Das ging so lange gut, bis nach der Lehman-Pleite im September 2008 der Zahlungsverkehr der Banken untereinander schlagartig stoppte, und die Depfa sich kurzfristig nicht mehr ausreichend Mittel besorgen konnte. Die Folge: Ihr ging das Geld aus.

Die Regierungen der großen Industrienationen haben sich als Lehre aus der Lehman-Pleite gegenseitig zugesichert, systemrelevante Banken nicht mehr in die Pleite gehen zu lassen. Die "Systemrelevanz" der HRE wird in der Branche nicht bestritten.

Eine Pleite hätte nämlich nicht nur verheerende Folgen für die Aktionäre. Es bestünde die Gefahr, dass wesentliche Finanzströme versiegen würden, da die Bank einer der größten Finanzierer von staatlichen Haushalten und gewerblichen Immobilien ist.

Die Bank hat eine "offizielle" Bilanzsumme von knapp 400 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa 70 Prozent dessen, was die insolvente Lehman Brothers vor ihrer Pleite verbucht hat.

Würde die HRE untergehen, hätte dies fatale Folgen für das bisher als so sicher geltende Pfandbriefsystem in Deutschland. Bislang ist noch nie ein Titel in der gut 200-jährigen Pfandbriefgeschichte ausgefallen.

Sie gelten als besonders sicher, weil hinter jedem Wertpapier Forderungen gegen die öffentliche Hand stehen. Diese finanziert mit dem Geld ewa Kindergärten, Schulen oder Turnhallen. Die Immobilien, die den Darlehen zugrunde liegen, dürfen höchstens zu 60 Prozent beliehen werden - und sind eigentlich auch bei einem Wertverfall relativ sicher.

Aber immer mehr Investoren bezweifeln, dass angesichts der Milliardenlöcher bei der HRE die Mittel der Gesellschaft ausreichen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte, man müsse damit rechnen, dass im Insolvenzfall 80 bis 85 Prozent dieser Einlagen weg seien. Dazu kommt, dass der Bund bereits 102 Milliarden Euro in die HRE gepumpt hat, die bei einer Pleite ebenfalls verbrannt wären.

Die Bundesregierung will die HRE im Notfall verstaatlichen. Das Kernproblem der HRE ist, dass sie immer schwieriger an neues Geld kommt. Gehörte die Bank dem Staat, würden Geldgeber wohl wieder spendabler. Der Bund will 75 Prozent an der HRE, am liebsten aber mehr als 90 Prozent.

Enteignen will er nur, wenn sich Aktionäre gegen die Verstaatlichung auf den anderen Wegen sperren. Dies zielt auf den Großaktionär, den US-Finanzinvestor J.C. Flowers. Dieser hält ein Viertel der Anteile und sperrt sich gegen einen Verkauf seiner Beteiligung zum aktuellen Wert von 1,30 Euro. Er fordert drei Euro pro Aktie.

Beim derzeitigen Börsenkurs müssten den Altaktionären laut Steinbrück 270 bis 280 Millionen Euro gezahlt werden. Der Bund hofft darauf, bei einem späteren Verkauf der Beteiligung die Anteile zu einem höheren Preis abgeben zu können.