WEF sucht Wege zum Wachstum
Davos (dpa) - Europas hoch verschuldete Sorgenkinder haben nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) große Fortschritte bei der Krisenbewältigung gemacht.
Trotz erster Erfolge wie sinkender Zinsen für die Beschaffung von frischem Geld müssten diese Staaten aber beharrlich auf dem eingeschlagenen Weg bleiben, damit die Euro-Schuldenkrise überwunden werden könne, betonte IWF-Chefin Christine Lagarde am Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Europa befinde sich in einem „historischen Prozess der Integration“, sagte Lagarde. „Auch mit dem Vereinigten Königreich“, fügte Lagarde in Anspielung auf die vom britischen Premierminister David Cameron angekündigte Volksabstimmung über den Verbleib seines Landes in der EU hinzu. Die europäische Wirtschaft stehe von enormen Herausforderungen, die gemeinsam angegangen werden müssten. „Wir brauchen eine vertiefte Bankenunion und eine Haushaltsunion, um nur zwei Beispiele zu nennen.“
Italiens Ministerpräsident Mario Monti erklärte, er sei zuversichtlich, dass die Bürger des Vereinigten Königreiches die Ergebnisse eine Kosten-Nutzen-Rechnung richtig bewerten und sich im Falle eines Referendums für die EU entscheiden würden. „Die EU braucht keine Europäer, die keine Europäer sein wollen“, sagte er. „Aber wir brauchen ganz bestimmt wohlgesonnene Europäer.“
Der Streit um die Zukunft der EU und des Euro ist an diesem Donnerstag das vorrangige Thema des 43. Weltwirtschaftsforums (WEF). Auf dem Programm des Treffens von rund 2500 Spitzenpolitikern, Managern und Wissenschaftlern stehen unter anderem die Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel und David Cameron.
Im Mittelpunkt des Treffens, das noch bis zum Sonntag dauert, steht aber die Suche nach neuen Ideen und Impulsen für mehr Wachstum zur Überwindung der Folgen der Finanzkrise. Zudem beraten die Teilnehmer - unter ihnen fast 50 Staats- und Regierungschefs - über Möglichkeiten zur Stärkung der Abwehrkräfte gegen neue Krisenschübe. Das Motto lautet „Widerstandsfähige Dynamik“.
Zum Auftakt am Mittwoch rief Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew ausländische Investoren zu einem erheblich größeren Engagement in seinem Land auf. „Wir streben ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens fünf Prozent an, und dafür brauchen wir große ausländische Investitionen“, sagte Medwedew am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion zu Chancen und Risiken der russischen Wirtschaft.
Der russische Regierungschefs räumte vor Bankern und Unternehmern ein, dass es in der russischen Wirtschaft sowie hinsichtlich des Investitionsklimas „Ungewissheiten“ gebe. Diesem Problem werde man sich aber entschlossen stellen. „Unser Ziel ist es, zu den Top Ten der wirtschaftsfreundlichsten Länder der Welt zu gehören.“
Russland arbeite auf „eine vollständige Integration in die globalen Märkte“ hin, versicherte Medwedew. Langfristig wünsche sich Russland einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit der EU „vom Atlantik bis zum Pazifik“. Medwedew kritisierte, der Westen komme Russland nicht in ausreichendem Maße entgegen. So zögen sich Gespräche über die für russische Unternehmer wichtige Visafreiheit „unendlich in die Länge“.
In einer anderen Diskussionsrunde warnte der frühere Bundesbank-Chef Axel Weber vor einer zu starken Regulierung der Finanzbranche. Sollte sie zu eng an die Kette gelegt werden, könne dies langfristig Investitionen in Unternehmen und Infrastruktur abwürgen, sagte der jetzige Verwaltungspräsident der Schweizer Großbank UBS.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnte derweil vor einem Nachlassen der Bemühungen um Wirtschaftsreformen in den am meisten verschuldeten Staaten Europas. Dies wäre „ausdrücklich falsch“, sagte er in einem Interview des SWR vor seiner Abreise nach Davos. „Deswegen muss der Reformdruck erhalten bleiben.“
In Davos will sich Rösler für den Abbau von Handelsschranken einsetzen. Die deutsche Wirtschaft sei zwar robust, „trotzdem müssen wir alles dafür tun, um unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern“. Dazu gehörten bezahlbare Energie und der Einsatz für offene Märkte und fairen Wettbewerb.