Weiter Gezerre um Börsenfusion
Frankfurt/Main (dpa) - Die Kritik an der geplanten Fusion der Deutschen Börse und der NYSE Euronext reißt nicht ab. Knapp zwei Wochen vor der voraussichtlichen EU-Entscheidung bekräftigte die hessische Börsenaufsicht ihre Bedenken gegen den Zusammenschluss.
Der Versuch des Deutsche-Börse-Managements, Widerstände am Standort Frankfurt mit Hilfe eines Standortsicherungsvertrages auszuräumen, scheiterte vorerst am Betriebsrat. Die Zeit für die Konzerne wird knapp: EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia will nach eigenen Angaben am 1. Februar über das Fusionsprojekt entscheiden. Zuletzt hatten sich Anzeichen gemehrt, dass Brüssel den Milliardendeal untersagen wird.
„Wir nehmen die Bedenken der Mitarbeiter und die Sorgen am Finanzplatz Frankfurt sehr ernst. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Börse den Abschluss eines Standortsicherungsvertrages für Frankfurt und Eschborn angeboten“, erklärte ein Sprecher der Deutschen Börse AG am Freitag. Die hessische Staatskanzlei in Wiesbaden habe sich als Vermittler zur Verfügung gestellt.
Nach Informationen der Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX hatte das Management unter anderem angeboten, ein garantiertes Investitionsvolumen von mindestens 300 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren festzuschreiben. Außerdem sollte der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2013 ebenso vereinbart werden wie die Bündelung von IT-Kompetenz am Standort Frankfurt.
Der Betriebsrat sieht jedoch aktuell keinen Handlungsbedarf. „Wir sind zu Gesprächen bereit, aber das muss nicht mit heißer Nadel gestrickt werden“, sagte Betriebsrat Johannes Witt der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben die Tür nicht zugeschlagen, wir wollen erstmal den Gang der Dinge abwarten“, erklärte Witt, der auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des Dax-Konzerns ist. „Wenn die Fusion kommt, kann man immer noch darüber sprechen.“
Hessens Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) sagte dem „Handelsblatt“ (Freitag), er fürchte, „dass sich der Betrieb der Frankfurter Börsen eben nicht fortentwickeln kann, wenn die Deutsche Börse umfassend abhängig ist von anderen Entscheidungsträgern“. Poschs Ministerium hat die Börsenaufsicht für den Finanzplatz Frankfurt und prüft das Fusionsvorhaben börsenrechtlich.
Das Ministerium erklärte am Freitag, es bestünden „nach wie vor börsenrechtliche Bedenken“: „Nach derzeitigem Prüfungsstand haben die Parteien keine Vorschläge gemacht, die geeignet sind, die Bedenken zu zerstreuen.“ Als kritisch gilt etwa der geplante Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der Deutschen Börse mit der künftigen Muttergesellschaft. Nach den Plänen von Deutscher Börse und NYSE Euronext soll das neue Unternehmen mit Hauptstandorten in Frankfurt, New York und Paris über eine in den Niederlanden angesiedelte Dachgesellschaft gesteuert werden. Der gesamte Gewinn soll an die Holding abgeführt werden.
Die EU-Wettbewerbshüter zögern dem Vernehmen nach vor allem wegen der Marktmacht des geplanten Börsenriesen im Derivate-Geschäft. Die beiden Konzerne haben noch bis Ende März Zeit, um alle Genehmigungen der mehr als 40 in den Prüfungsprozess involvierten Wettbewerbs-, Aufsichts- und Regulierungsbehörden einzuholen. Klappt dies nicht, verliert das Fusionsangebot seine Gültigkeit.