Wem nützt der geringe Preisauftrieb?

Die Inflation in Deutschland ist auf ein Vierjahrestief gesunken. Viele profitieren, es gibt aber auch Verlierer.

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Wiesbaden. Die Inflation in Deutschland ist im Mai auf den niedrigsten Wert seit fast vier Jahren gefallen. Die jährliche Teuerungsrate sank auf 0,9 Prozent, im Euroraum sogar auf mickrige 0,5 Prozent. Die Mini-Inflation stärkt die Kaufkraft der Verbraucher. Aber es gibt auch Verlierer.

Verbraucher Konsumenten sind die großen Gewinner einer niedrigen Inflation. Denn Verbraucher bekommen bei konstanten Einkommen mehr für ihr Geld — ihre Kaufkraft ist umso höher, je langsamer die Preise steigen. Ein größerer Preisauftrieb würde Konsumenten belasten, wie die Bundesbank vorrechnet: „Ein Paar Schuhe kostet heute 100 Euro.

Bei einer Inflationsrate von fünf Prozent muss man dafür in einem Jahr 105 Euro bezahlen, in fünf Jahren rund 128 Euro.“ Aktuell können sich in Deutschland Autofahrer freuen wie alle, die ihr Haus oder ihre Wohnung heizen müssen: Die Sprit- und Energiepreise liegen seit Monaten unter dem Vorjahresniveau.

Arbeitnehmer und Rentner Wenn die Preise langsamer anziehen als die Löhne, steigen die Reallöhne und damit die Kaufkraft. Ähnlich profitieren Rentner: Denn in Deutschland ist die Lohnentwicklung die Grundlage der Rentenanpassung.

Vermögende Sind die Inflationsraten niedrig, profitieren Menschen mit Geldvermögen: Es schrumpft langsamer.

Kreditnehmer Bei einem sehr geringen Preisauftrieb weit unter der Marke von knapp zwei Prozent, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) Preisstabilität gewahrt sieht, senken Notenbanken in der Regel die Zinsen. Geben das die Geschäftsbanken an ihre Kunden weiter, werden Kredite günstiger — für Verbraucher, die einen Fernseher, ein Auto oder ein Haus kaufen genauso wie für Unternehmen, die Investitionen finanzieren oder den Staat, der sich Geld besorgt.

Sparer Seit Monaten liegen die Zinsen auf Sparbuch oder Tagesgeldkonto sogar noch unter der mageren Teuerung. Unter dem Strich verlieren die Sparer Geld. Deshalb wettern Sparkassen, Volksbanken und Versicherer: „Niedrigzinsen enteignen Sparer und reißen Lücken in die Altersvorsorge künftiger Rentner.“ Beim aktuellen Zinsniveau wären die Einbußen für Sparer noch größer, wenn die Inflation höher läge.

Unternehmen und Arbeitnehmer Je geringer die Teuerung, umso schwieriger wird es tendenziell für Unternehmen, Preiserhöhungen am Markt durchzusetzen. Damit werden auch kräftige Lohnerhöhungen unwahrscheinlicher.

Staat Als Großschuldner hat der Staat Interesse am schnelleren Preisauftrieb: Der Realwert seiner Verschuldung nimmt umso stärker ab, je höher die Inflation am Ende ist.

Dieses Phänomen hat EZB-Präsident Mario Draghi als einen Grund für die Maßnahmen der Notenbank gegen die niedrige Inflation bezeichnet: „Ist die Inflation niedrig, sinkt der reale Wert der Schulden von Staaten und Unternehmen langsamer.“ Dadurch werde der Schuldenabbau erschwert.