Pleiten Weniger Insolvenzen - aber in NRW doppelt so viele wie in Bayern
Die Creditreform sieht gute Konjunktur, niedrige Zinsen und höhere Einkommen als Ursachen für einen Rückgang der Pleiten. NRW steht aber schlechter da als andere Länder.
Düsseldorf. Die gute Konjunktur und die niedrigen Zinsen, die die Wirtschaft mit günstiger Liquidität versorgen, haben einen positiven Einfluss auf das „Insolvenzgeschehen“. So nennt die Creditreform Wirtschaftsforschung all das, was mit Pleiten zusammenhängt. Am Mittwoch meldeten die Neusser einen weiteren Rückgang: In den Monaten Januar bis Juni sank bundesweit die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen auf rund 10 300. Was ein Minus von 5,9 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2016 bedeutet. Noch stärker war der Rückgang bei den Verbraucher-Insolvenzen, die in dem Vergleichszeitraum um 7,5 Prozent auf 36 300 sanken. Schon seit 2010 ist die Zahl der Insolvenzen in beiden Bereichen rückläufig (siehe Grafik).
Der Rückgang der Verbraucher-Insolvenzen, so sagt Creditreform-Hauptgeschäftsführer Volker Ulbricht, werde durch das Rekordbeschäftigungsniveau begünstigt. 44 Millionen Menschen und damit 650 000 mehr als ein Jahr zuvor waren im April 2017 in Beschäftigung. Auch habe sich die Einkommenssituation verbessert. Dennoch sei der private Schuldenberg weiter hoch und könnte bei Verschlechterung des Arbeitsmarktes und einer eventuellen Zinswende zur Belastung werden.
Bei den Unternehmensinsolvenzen sind längst nicht nur die Beschäftigten die Leidtragenden. Wie zum Beispiel die 3000 Mitarbeiter von SolarWorld oder die 2100 Mitarbeiter der Hamburger Großreederei Rickmers. In den zurückliegenden zehn Jahren, so kalkuliert Creditreform, hätten sich die durch Insolvenzen verursachten Arbeitsplatzverluste auf etwa drei Millionen Betroffene summiert. Auch die Gläubiger, die mit in die Insolvenz geratenen Unternehmen zu tun hatten, müssen mit teilweise schmerzhaften Schäden leben. Das betrifft nicht nur Vertragspartner wie etwa Zulieferer dieser Firmen oder Banken. Auch diejenigen, die Mittelstands-Anleihen eines insolvent gehenden Unternehmens gezeichnet hatten, gehen mitunter leer aus. Creditreform hat einen Schadens-Durchschnittswert von 1,26 Millionen Euro bei jedem Insolvenzfall errechnet.
Bei den Insolvenzquoten — damit ist gemeint, wie viele Insolvenzen es je 10.000 Unternehmen gibt — spielt Nordrhein-Westfalen eine unrühmliche Rolle. Hierzulande liegt die Quote bei 90 und damit mehr als doppelt so hoch wie in Bayern. Allein Berlin, wo es besonders viele Start-ups gibt, die oft ebenso schnell wieder vom Markt verschwinden, liegt die Insolvenzquote mit 101 noch über der nordrhein-westfälischen.
Betrachtet man das Insolvenzgeschehen nach Branchen, so ergibt sich laut Creditreform dieses Bild: Im Baugewerbe wurden in den ersten sechs Monaten 2017 noch 1540 Insolvenzen und damit 9,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum registriert. Selbst im krisengeschüttelten Handel gab es 3,9 Prozent weniger Insolvenzen als im Vergleichszeitraum. 56,4 Prozent aller Pleiten bezogen sich auf das Dienstleistungsgewerbe.