Wertheim: Karstadt zahlt Entschädigung
Die Erben bekommen für ihre Grundstücke in Berlin 88 Millionen Euro bezahlt.
Düsseldorf. Der jahrelange Rechtsstreit um das Erbe der jüdischen Kaufhausdynastie Wertheim ist beigelegt. Karstadt-Quelle als Rechtsnachfolger von Hertie und die Jewish Claims Conference (JCC) als Vertreterin der Wertheim-Erben haben eine außergerichtliche Einigung erzielt. Danach zahlen die Essener 88 Millionen Euro Entschädigung für Grundstücke (Lenné-Dreieck). Die ursprüngliche Forderung war doppelt so hoch gewesen.
Auf einer extra für die Verkündigung dieser Vereinbarung eingerufenen Pressekonferenz, vor dem geschichtlichen Hintergrund sollte die Karstadt-Bilanz-PK dazu nicht benutzt werden, fielen sich die beiden einstigen Kontrahenten - Karstadt -Chef Thomas Middelhoff und JCC-Direktor Roman Haller - gleich in die Arme. Der Rechtsstreit mit den Vertretern der Holocaust-Überlebenden sei für ihn die "emotional schwierigste Frage" in seiner Zeit als Karstadt-Chef gewesen, bekannte Middelhoff (Jahrgang 1953). Die Abwägung zwischen den Interessen der Aktionäre und den Menschen, denen schreckliches Unrecht widerfahren war und die immer älter wurden, sei schwierig gewesen.
Auch Haller war froh, die Einigung verkündigen zu können. Die Gespräche seien in der Sache hart, im Ton aber jederzeit von Respekt und Fairness gekennzeichnet gewesen. Der Durchbruch sei durch den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zustande gekommen, der alle an einen Tisch gebracht hätte. "Die Überlebenden des Holocaust sind alle in einem sehr hohen Alter, was nützt es diesen Menschen, wenn sie in zehn Jahren mehr Entschädigung bekommen würden", sagte Haller zur Summe.
1875: Ida und Abraham Wertheim eröffnen in Berlin ein kleines Geschäft zum Verkauf von Kleidung und Fertigwaren.
1920: Abraham Wertheims Kinder Georg, Franz und Wilhelm werden Haupteigentümer des nun in Deutschland bereits führenden Warenhauskonzerns.
1937 - 1939: Nach der Machtübernahme durch die Nazis wird Georg Wertheim als Letzter gezwungen, sich vom Geschäft zurückzuziehen. Die meisten Mitglieder der Wertheim-Familie flüchten in die USA.
1945: Nach Kriegsende beschlagnahmt die sowjetische Besatzungsmacht den Wertheim-Grundbesitz.
1961: Bau der Berliner Mauer, die auch den Wertheim-Grundbesitz in Berlin-Mitte teilt.
1988: Grenzbereinigung in Berlin zwischen der DDR und dem Senat, womit der Grundbesitz auf westlicher Mauer-Seite an West-Berlin übertragen wird.
1991: Das inzwischen zu Hertie gehörende Warenhaus Wertheim erhält vom Land Berlin Eigentum an den Grundstücken im so genannten Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz.
1994: Die Karstadt-Quelle AG erwirbt Hertie. Wertheim wird eine 100-prozentige Tochter von KarstadtQuelle.
2000: Karstadt-Quelle verkauft 20 000 Quadratmeter Land am Lenné-Dreieck an Metro-Gründer Otto Beisheim. Beisheim zahlt an Karstadt-Quelle 145 Millionen Euro und errichtet dort das Beisheim-Center sowie die Hotels Ritz-Carlton und Marriott.
2001: In New York klagt die Wertheim-Familie gegen die Karstadt-Quelle AG wegen "betrügerischen Erwerbs des Wertheim-Konzerns".
2004: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig spricht der JCC Entschädigungsrechte zu.
2005: Das Verwaltungsgericht Berlin weist die Klage der Karstadt-Quelle AG gegen die Rückübertragungsbescheide zu Gunsten der JCC ab.
August 2006: Das Bundesamt für offene Vermögensfragen bestätigt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Karstadt-Quelle kündigt an, bis zur letztinstanzlichen Regelung den Rechtsweg gehen zu wollen.
September 2006: In einer Pressekonferenz im Ritz-Carlton auf dem früheren Wertheim-Grund erneuert die Sprecherin der etwa 50 noch lebenden Wertheim-Erben, Barbara Principe (73), die Forderungen nach Entschädigung durch Karstadt-Quelle und wendet sich mit der Bitte um direkte Gespräche persönlich an Konzernchef Thomas Middelhoff.
März 2007: In Düsseldorf wird nach monatelangen Geheimgesprächen zwischen Konzernchef Middelhoff und JCC- Präsident Haller unter Vermittlung von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl die außergerichtliche Einigung bekannt gegeben. Nach Darstellung der Wertheim-Anwälte in Berlin und in den USA ist damit der Konflikt beendet. Alle laufenden Verfahren werden von beiden Seiten aufgegeben. KarstadtQuelle zahlt 88 Millionen Euro an die Wertheim- Erben.