Porsche übernimmt die Macht bei VW
Automobilmarkt: Der Sportwagenhersteller will dem Branchenprimus Toyota künftig weltweit Paroli bieten und Hedge-Fonds abwehren.
Stuttgart. Porsche greift immer fester nach der Macht bei VW. Nach dem neuen Coup, die Anteile an Europas größtem Autobauer auf 31 Prozent zu erhöhen, kann der Sportwagenschmiede kaum noch jemand das Steuer bei VW aus der Hand reißen. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kündigte aber noch einen weiteren Paukenschlag an: Porsche baut die eigene Konzernstruktur um und führt alle Beteiligungen in einer europäischen Aktiengesellschaft zusammen.
Was nicht zu übersehen ist: eine Verschmelzung von Porsche und Volkswagen, wie von vielen erwartet, wird es nicht geben. Porsche bleibt Porsche und wird seinen Mythos behalten. Denn nur so bringen hohe Preise gewaltige Gewinne in die Kasse von Porsche.
Dass Wiedeking nun auch ganz öffentlich die Kontrolle von VW übernehmen will, ist trotz aller zaghafter Dementis der vergangenen Monate eigentlich keine Überraschung. Immer unverblümter hatte der vielfach ausgezeichnete Manager zuletzt davon gesprochen, mehr tatsächlichen Einfluss in Wolfsburg ausüben zu wollen. Es ist das große Ziel von Wiedeking, dass Volkswagen langfristig dem Primus weltweit, nämlich Toyota, Paroli bieten soll. Jetzt spricht er von der Aufstockung als einem "logischen Schritt". Denn der Porsche-Chef will sich von keinen Finanzinvestoren, etwa von Hedge-Fonds, bei Volkswagen in die Parade fahren lassen.
Porsche und VW arbeiten bereits auf vielfache Weise zusammen. Sei es beim Cayenne, beim Hybrid-Motor oder künftig beim Vier-Sitzer Panamera oder einer gemeinsamen Elektronikplattform. Durch das Auftreten eines "fremden" Großaktionärs bei VW sähe sich Porsche existenziell gefährdet. Zu vielfältig sind beide Unternehmen schon verbandelt. Ein Porsche-Manager brachte es auf den Nenner: "Wir sichern unser eigenes Geschäftsmodell ab."
Der Zeitpunkt für die Aufstockung der Anteile an VW "Schritt um Schritt" kam nicht ganz überraschend. Seitdem sich im Februar abzeichnete, dass das fast 50 Jahre alte VW-Gesetz vor dem Aus ist, lohnt es sich auch für den "Dagobert Duck" aus Zuffenhausen, bei VW noch mehr Gas zu geben. Dass Porsche langfristig seinen Anteil auf über 75 Prozent am VW vergrößert, um eine Sperrminorität eines "Fremden" zu verhindern, halten Branchenexperten für die logische Entwicklung.
Dass künftig alle Porsche-Beteiligungen von einer Holding geführt und diese in eine europäische Aktiengesellschaft ("Societas Europaea"/SE) umgewandelt werden soll, spricht außerdem dafür, dass der Chef der Sportwagenschmiede seinen Expansionshunger auf Sicht noch lange nicht gestillt hat.
Nicht glaubwürdig sind auch Beteuerungen, man plane keineKomplettübernahme. Was solche Bekenntnisse taugen, zeigt das bereitsgebrochene Gelöbnis des Porsche-Chefs Wiedeking vom 8. März, seinUnternehmen wolle seine VW-Beteiligung auf nicht mehr als 29,9 Prozentaufstocken. Jetzt wird es mehr, so dass das sogenannte Pflichtangebotan alle Aktionäre ergehen muss. Ein doppelt geschickter Schachzug.Porsche nennt den Aktionären einen bewusst miesen Preis, so dass dasUnternehmen vorerst nicht in Not gerät, viel mehr als 31 Prozent derAnteile erwerben zu müssen. Das spart Geld. Zweiter Vorteil: DiesesPflichtangebot war auch das letzte, denn gesetzlich steht damitweiteren Zukäufen nichts mehr im Wege. Porsche kann nun zu einemspäteren Zeitpunkt unbemerkt die 50-Prozent-Hürde überspringen.
Somit strebt Porsche klar die Vorherrschaft in Deutschland an.Daimler-Chrysler ist der einzige ernstzunehmende Konkurrent. Bereitsdie geplante Fusion bei den Nutzfahrzeugen zwischen VW, MAN und Scaniakönnte weitere Vorteile bringen. Zum Angriff auf den internationalenMarktführer Toyota fehlt allerdings noch einiges, vor allem die Präsenzin den Vereinigten Staaten. Doch das kann sich ändern. Porsche-EnkelFerdinand Piëch, der unbestrittene Strippenzieher, wird wohl auch dafürtrotz seiner fast 70 Jahre noch ausreichend Ausdauer aufbringen. SeinMachthunger als Triebfeder ist groß genug. Porsche wird uns also nochöfter überraschen, was für den Standort Deutschland nicht nachteiligsein muss.