Wirtschaft lässt Krisenmodus hinter sich
München/Davos (dpa) - Die größte europäische Wirtschaft lässt den Krisenmodus hinter sich. Das wichtigste Konjunkturbarometer für Deutschland, der Ifo-Geschäftsklimaindex, stieg im Januar zum dritten Mal in Folge - und treibt Eurokurs und Aktienmärkte an.
Derweil droht Großbritannien nach unerwartet schlechten Konjunkturdaten ein erneuter Sturz in die Rezession. Auch in vielen anderen Ländern läuft es noch schlechter, als hierzulande. Deswegen ist die Erholung in der Eurozone nach Einschätzung von EZB-Präsident Mario Draghi längst noch nicht robust genug, um die Krisenpolitik der Regierungen und der Notenbank beenden zu können. Ein wichtiges Entspannungssignal kam indes von den Banken: Sie zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB) schon bald 137 Milliarden an Krisenhilfen zurück.
Die für den Ifo-Index befragten deutschen Unternehmen bewerteten sowohl ihre aktuelle Geschäftslage als auch ihre Aussichten für das kommende halbe Jahr besser. „Der Optimismus kehrt zurück“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in München. Die Fabriken seien nach dem Rückgang im letzten Quartal 2012 jetzt wieder besser ausgelastet, die Auftragsbücher der Exportindustrie und der Bauunternehmen füllten sich. „Das ist ein klares Signal, dass es wieder aufwärtsgeht“, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Der Geschäftsklimaindex war nach sechs Rückgängen in Folge schon im November und Dezember wieder gestiegen und legte im Januar noch kräftiger zu, von 102,4 auf 104,2 Punkte.
Die Zuversicht der deutschen Wirtschaft ließ den Deutschen Aktienindex Dax auf ein Fünf-Jahres-Hoch klettern, in der Spitze ging es bis auf 7860 Punkte nach oben. In solchen Höhen rangierte der Dax zuletzt Anfang 2008 - also lange vor der Pleite der US-Investmentbank Lehman im Herbst 2008, in deren Folge die gesamte Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzte. Auch der Euro profitierte vom Ifo-Index und wurde mit fast 1,35 US-Dollar so teuer gehandelt wie seit rund elf Monaten nicht mehr.
Ganz anders ist die Situation in Großbritannien. Dort ging die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2012 um 0,3 Prozent zum Vorquartal zurück. Insgesamt war 2012 damit gegenüber 2011 ein Jahr der Stagnation. Wirtschaftsexperten befürchten, dass das Land erneut in eine Rezession zurückfallen könnte. Vizepremier Nick Clegg mahnte als erstes Mitglied der konservativ-liberaldemokratischen Regierung, dass die Kürzungen zum Abbau des immensen britischen Schuldenberges „zu schnell und zu tief“ erfolgt seien.
Kritisch ist nach Einschätzung der Ratingagentur Fitch immer noch die Lage in Portugal. Trotz zuletzt positiver Entwicklungen werde sich das Land nicht wie geplant im kommenden Jahr wieder selbstständig am Kapitalmarkt frisches Geld beschaffen können, urteilte Fitch. Damit werde ein zweites Rettungspaket der Europartner und des IWF notwendig werden. Portugal war im 2011 unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft.
Nach Einschätzung der Bundesregierung könnte in der Euro-Schuldenkrise inzwischen aber das Schlimmste überstanden sein. Die Entwicklung sei zwar weiter fragil, betont der Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), in einem Schreiben an Mitglieder der schwarz-gelben Koalitionsfraktionen. „Einige Indikatoren deuten aber darauf hin, dass bei stabiler Entwicklung das Ärgste hinter uns liegt“, heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
EZB-Präsident Mario Draghi mahnte beim Weltwirtschaftsforum in Davos, die 2012 in der Eurozone beschlossenen Maßnahmen zur Konsolidierung der Haushalte und zur Förderung von Wachstum müssten in diesem Jahr entschlossen umgesetzt werden. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, sprach sich indes für eine Abkehr von allzu starren Sparzielen aus. „Es ist besser, (...) sich ein bisschen mehr Zeit zu nehmen als einen Gewaltmarsch hinzulegen“, sagte die Französin dem TV-Sender France 2 beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Eine solche Entscheidung müssten europäischen Staaten aber gemeinsam treffen.
Draghi stellte fest, die Lage an den Finanzmärkten habe sich durch die EZB-Politik des billigen Geldes und die Injektion von rund einer Billion Euro in den Bankensektor wesentlich gebessert. Die Banken des Euroraums zahlen der EZB in einer ersten Runde inzwischen deutlich mehr von dieser Krisenhilfe zurück als erwartet. Der Notenbank fließen insgesamt 137,2 Milliarden Euro zu, wie die EZB in Frankfurt mitteilte. Da hohe Rückzahlungsbeträge prinzipiell auf eine Entspannung im Bankensektor hindeuten, sorgten die Zahlen für positive Reaktionen an den Finanzmärkten.